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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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ein Herz fassen mochte. In mir kam das Gefühl auf, als reichte es allmählich mit dem Stören unbekannter Menschen. Ich wühlte in der Plastiktüte, überlegte,das Päckchen an die Türklingel zu hängen, das war so eine altmodische geflügelte Klingelvorrichtung, an der die Schenkung gut gehangen hätte. Doch es gelang mir nicht. Kaum hatte ich die Päckchenschnur um das Ding drapiert, rutschte sie ab, das Mitbringsel polterte zu Boden und die Klingel ertönte.
    Mich ergriff die Panik. Ich schnappte das Päckchen, dachte keine Sekunde darüber nach, wie es seinem Inhalt ergehen würde, und stopfte es hastig in den Briefschlitz, aus dem ich es gleich wieder mit Gewalt herauszog, weil es nicht durchpasste. Ich hatte das furchtbar kribbelnde Gefühl, jeden Moment bei einer durch und durch verkehrten Tat ertappt zu werden. Abwechselnd stieß und zog ich das Päckchen, unten ging eine Tür und schwere Schritte kamen die Treppe herauf, am liebsten hätte ich um Hilfe gerufen, aber was hätte das genützt. Ich machte einen letzten nutzlosen Versuch, schob die rechte Hand tief in den Briefschlitz und bekam das Päckchen gerade stabil genug in den Griff, um es herauszureißen, als ich im Flur Schritte hörte. Dann wurde auch schon energisch die Wohnungstür aufgestoßen.
    »Großer Gott!«, hörte ich Irja noch ausrufen. Dann setzte in meiner Nase ein warmes Brausen ein.

Für eine Weile war alles klebrig-zäh und wirr. Zunächst begriff ich nur, dass ich vor der Tür halb auf die Knie gesunken war und mit beiden Händen am Briefschlitz hing. Die eine Hand umklammerte noch immer das Päckchen, die andere schien einfach so in der Öffnung festzustecken.
    Das Blut kam mir im Schwall aus der Nase, ich konnte nicht einmal die Hände darunterhalten, weil sie eben feststeckten, und so versuchte ich nur, die Flüssigkeit an der Fußmatte und meinen Kleidern vorbei auf den Fußboden zu lenken. Auch aus den Augen floss mir etwas, und Nasenlöcher und Mund wurden von einer dicken, sirupartigen Sinneswahrnehmung verstopft, von der sich unmöglich sagen ließ, ob es Geruch oder Geschmack war.
    »Ach du meine Güte«, sagte Irja gedehnt, aber dann gingen auch ihr die Worte aus. Als Nächstes spürte ich, wie sie auf der anderen Seite der Tür das Päckchen, das ich noch immer fest umklammert hielt, aus meinen Fingern befreite. »Entschuldigung, Entschuldigung«, sagte sie immer wieder. »Wie konnte mir das nur passieren, Entschuldigung, du meine Güte.«
    Es gelang ihr, mir das Päckchen zu entwinden, worauf meine Hand tassenartig, leer und plötzlich vollkommen funktionslos in der Luft hängen blieb. Kurz darauf spürte ich, wie das Gelenk der linken Hand in eine neue Position gedreht und in die Freiheit zurückgeschoben wurde.
    »Mein Gott«, prustete ich, worauf sich kleine dunkelrote Punkte an der Tür bildeten.
    »Nicht sprechen«, flüsterte Irja und machte sich neben mir und hinter mir zu schaffen; es war schwer, sie zu orten, weil meine Augen voll waren von etwas Trübem, Brennendem, und es sich anfühlte, als stünde mein Kopf in nassen Flammen. »Nicht bewegen, wir holen dir Küchenpapier, oder was heißt wir, ich hole welches, von drinnen.«
    Ich erkannte in ihrem Tuscheln etwas Vertrautes, es klang wie das Echo meiner eigenen Stimme. Wieder kam mir das aufgeschobene Telefonat mit meinem Sohn in den Sinn.
    Irja verschwand, um Papier zu holen, ich kniete weiter im Treppenhaus, die rechte Hand noch immer am Briefschlitz, irgendwie traute sie sich nicht, den Rand loszulassen, obwohl sie theoretisch frei war, zu tun, was sie wollte. Schwere, sandsackartige Schritte stampften in nächster Nähe die Treppe herauf und legten dann eine Pause ein. Man hörte schwitziges Atmen, ein maskulines Räuspern und ein dröhnendes Istmitihnenallesinordnung. Ich dankte und sagte Ja, auch wenn das wahrscheinlich ziemlich unglaubwürdig klang. Dann setzte der nur aus seiner Stimme bestehende Mann ohne weitere Fragen stampfend seinen Weg fort und war wenig später hinter einer zufallenden Tür verschwunden. Er wurde sozusagen gegen Irja ausgewechselt, die angeschlittert kam, um mir mit dreilagigem Küchenpapier und Watte und wohl auch mit Mull das Gesicht abzutupfen. Dabei wiederholte sie in einem fort ihr Meinegüte.
    »Meine Güte«, sagte ich ebenfalls. Ich schämte mich dermaßen, dass meine Stimme sich zu einem irrwitzigen Piepsen ausdünnte. »Wie konnte das, ich meine, ich …«
    Mit aufforderndem und sicherem, aber auch besorgnisprallem Ton

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