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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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Eindruck, als wären sie heimlich, still und leise an ihre Standorte gepirscht. Die Farben, die in ihnen noch immer hier und da loderten, wurden auf der Wasseroberfläche vervielfacht.
    Irja hatte offenbar aus meinem Lachen nichts Besonderes herausgehört, da sie wieder Hallo rief. Ich fasste mich und berichtete, die Nase tue verflixt weh, aber der Schmerz sei nichts gegen die Pein, die auf den Blick in den Spiegel folge. Irja sagte, das Gefühl kenne sie. Mir wurde nicht klar, woher, aber ich hoffte, es hätte nichts mit ihrem Mann zu tun, wonach ich natürlich nicht fragen konnte, weshalb ich einfach kurz lachte und sagte, mit so einer Visage gibt man lieber keine Im-Sommer-wie-im-Winter-Sprüche von sich.
    Ich hörte Irja entfernt lachen, in ihrer Küche und zugleich in dem seltsamen Fassäther, in der sonderbaren Substanz, dieneuerdings alle Stimmen und Geräusche im Telefon zu stauchen schien. Dann wurde sie auf einmal still und sagte ernst: »Ich wollte dir etwas sagen.«
    Ich hörte auf zu atmen und wartete.
    »Bist du noch da?«, fragte Irja.
    »Ja, ich bin noch da«, sagte ich mit foliendünner Stimme, die sogleich riss und in eine Art Schluckauf überging. Auf der anderen Straßenseite stiefelte mein Sohn ungeduldig hin und her.
    »Du hast nämlich dein Portemonnaie bei uns liegen lassen.«
    Schwer zu sagen, warum, aber an der Stelle verknitterten mir die Formulare, wie mein Sohn eventuell gesagt hätte. Etwas erschreckte mich; der Körper konzentrierte sich nach innen, als wollte er den Angriff aller denkbaren Missgeschicke verhindern; mein Blickfeld verengte sich zur Röhre, meine gesamte irdische Hülle sackte in sich zusammen, ich hatte das Gefühl, zerknautscht zu werden. Trotzdem mischte sich in all die Angst, die Irjas an sich schlichte Mitteilung ausgelöst hatte, eine Wärme, die aus den tiefsten Tiefen der Apparatur austrat: das gute Gefühl, dass sich jemand um einen kümmerte und einen nicht im Stich ließ.
    Dennoch konnte ich nicht anders, als ins Telefon zu rufen: »Irja, meine Gute, entschuldige vielmals«, und dann: »Ichkanndichauchgleichzurückrufentschüsbisgleichtuut-tuut.« Das Tuut-tuut sagte ich sicherheitshalber selbst, was ich aber schon nicht mehr gut fand, als ich per Daumendruck das Gespräch beendete.
    »Wo bleibst du denn?«, rief mein Sohn über die Straße hinweg. »Komm her und sieh dir diese Schönheit an!«
    Mit schwachen Knien stakste ich über die Straße. Mein Sohn stand straff vor Stolz neben einem Auto, das wie ein Auto aussah, und glühte rot. Sein Kopf befand sich exakt auf der Höhe der Baumkronen am Ufer drüben, es sah ein bisschen so aus, als würde da gerade irgendeine glücklich-doofe Sonne untergehen, doch sie schaukelte vor lauter Begeisterung auf Höhe des Gewipfels weiter.
    »Hier ist es nun«, sagte mein Sohn, als ich das Auto erreicht hatte.
    »Aha.«
    »Nun schau’s dir einfach mal an«, drängte er. Gut, dass er mir nicht auch noch befahl, es anzufassen. »Das ist kein Jaguar, aber es läuft bestens für sein Alter, gut gepflegt, hab selbst ein bisschen was dran gemacht, und ein Kumpel von mir, der kann so was.«
    Dann zeigte er mir die Einzelheiten. In mir herrschte allerdings noch so viel breiartiges Rauschen, dass mein Sohn samt seinem Gerede und seinen Gebrauchthändlergebärden ziemlich schnell im Nebel versank. Zuerst starrte ich nur auf das schwarze Wasser und die Stadt, die sich darin spiegelte, auf den Hesperia-Park, auf den Turm des Nationalmuseums, auf dessen Spitze ich seit den Achtzigerjahren immer einen Stern sah, eine scharfe Ecke des Zuckerwürfelarrangements namens Finlandia-Halle. Als dann eine einsame rote Lokomotive die ansonsten eher gelbschwarze Landschaft durchschnitt und kurz hupte, kam ich einigermaßen zu mir und tat wenigstens so, als würde ich mir das Auto anschauen. Von dem Vortrag meines Sohnes verstand ich nichts, es war eine Art Geplapper, das wie unter Filz hervordrang, es schien sich mit den Türen und anderen Öffnungen zu befassen, und mit einem Drittelohrschnappte ich auf, mit einer davon sei es allerdings ein bisschen heikel. Vom Auto selbst sprang mir noch immer nichts Besonderes ins Auge außer der Fahrertür, die hellgrün war, im Gegensatz zum blauen Rest; und selbst nach dieser Wahrnehmung war ich bald schon wieder ganz woanders, inmitten leichter Gedankendaunen oder wie in einem kleinen Zimmer voller weicher Dinge aller Art. Irgendwo nahm irgendetwas Form an.
    »Also, was sagst du?«, juchzte mein Sohn

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