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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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doch die Frau von unten in mein Blickfeld, die von ihrem Ausflug zurückgekeucht kam und so aussah, als könne sie ihren nassen Mantel keine Sekunde länger mehr tragen. Ich richtete den Blick wieder aufs Telefon, es zappelte und zitterte über den Tisch und wurde schließlich vom Rand der Zeitung aufgehalten, deren Blätter es zum Rascheln brachte. Eine Weile zerbröckelte ich mir darüber den Kopf, wie mein Sohn gesagt hätte, ob ich rangehen soll oder nicht, und meldete mich dann doch, weil das Surren überhaupt nicht mehr aufhören wollte.
    »Hallo!«, schrie mein Sohn.
    Ich sagte nichts. Plötzlich quoll mir alles Mögliche in den Kopf, die einzelnen Assoziationen waren schwer zu fassen, eskam mir ein bisschen so vor, als wäre mir das surrende Handy ins Ohr geschlüpft und zappelte dort weiter. Aber war jetzt etwa die passende Gelegenheit, sich mit solchen Dingen zu befassen? Nein, ich musste den Kopf schütteln und in die Welt zurückkehren.
    »Hallo! Hallohallo! Bist du da? Ich bin hier.«
    Ich seufzte ohne besonderen Unterton, manchmal darf ein Seufzer auch bloß ein Seufzer sein, zumal zwischen Mutter und Sohn. Auch er, mein Sohn, fing zum Glück nicht an, die Nuancen meines Ausatmens durchzuhecheln, sondern rumpelte erneut mit irgendetwas herum, als hätte er mich schon wieder vollkommen vergessen. Darum rief ich nun meinerseits ein Hallo und stellte eine Fortsetzungsfrage: »Was heißt hier?«
    »Na, hier halt, verdammt, nee, sorry jetzt, ich meine Entschuldigung. Hier draußen, hier vor dir. Also jetzt nicht direkt vor dir, sondern vor deiner Wohnung, also vorm Haus.«
    Dann kruschpelte wieder etwas, und auch ich war ein Momentchen still und raschelte mit der Zeitung, als Gegengewicht zum Geprokel meines Sohnes. Wieder fragte ich mich, was das für Geräusche waren, falls er tatsächlich unten vorm Haus auf der Straße stand, was gab es beim Telefonieren in der Kiste zu hantieren, aber wieso Kiste, dachte ich gleich darauf, was wusste ich denn von dem Auto; und schon überraschte ich mich bei dem Gedanken, dass sie alle mehr oder weniger gleich waren, mein Gott, die Personenkraftwagen, dass man sie alle guten Gewissens als Kisten bezeichnen konnte; und erst da begriff ich wieder einmal, dass ich abgedriftet und ganz woanders gelandet war.
    Ich sagte: »Gut, ich komme runter.« Mein Sohn antwortete: »Mach dir keine Mühe, ich bin schon im Hof«, und alsich den Blick aus dem Fenster richtete, erkannte ich auch bereits seine energisch winkenden, von den Münzen des Geldbaums gesprenkelten Extremitäten.
    Hastig zog ich mir was über, denn er würde jeden Moment vor der Tür stehen, und so war es auch, kaum dass ich die Strickjacke über den Schultern hatte. Natürlich musste er klingeln, obwohl er ganz genau wusste, dass ich ihm auch so aufgemacht hätte, aber er hatte nun mal beschlossen zu klingeln, und er klingelte ein zweites Mal, der elende Hund, und ich rannte fluchend zur Tür und fragte, sobald ich sie aufhatte, ob er unbedingt so einen Rabatz machen müsse, was denn die Nachbarn denken sollten. Dann blubberten mir aber all die lauten, blutreichen Erinnerungsbilder in den Sinn, von der Tür der Jokipaltios, und da wagte ich es natürlich nicht mehr, große Töne zu spucken, sondern nahm meinen Sohn einfach in Empfang.
    Da stand er nun, genau so jungenhaft und blond und rotgesichtig und strubbelig wie immer. Oder doch nicht ganz wie immer.
    »Wie hat aus so einem hübschen Kind ein so hässlicher Mann werden können«, sagte ich wie beinahe jedes Mal, das war so eine nett gemeinte Flachserei zwischen uns. »Komm, lass dich umarmen.«
    Und da er weiterhin im halb dunklen Treppenhaus stand und mich mit schiefem, irgendwie angeschimmeltem Grinsen im Gesicht anstarrte, begriff ich, dass ich mit meiner Trollnase nicht gerade die geeignete Instanz war, um kritische Bemerkungen zu Fragen der optischen Erscheinung vorzubringen.
    Sein Grinsen gefror im Nu, es erstarrte und wölbte sich nach unten, ein bisschen wie schmelzender Überbackkäse. Erbrachte kein Wort heraus, der arme Junge, und das tat mir langsam schon für beide Seiten weh. Ich machte wilde Anstalten, ihn aus dem starren Glotzen heraus- und in die Wohnung hineinzuholen, zischte ihm zwischen den Zähnen hindurch zu, er sehe aus wie ein Geistesschwacher, bestimmt spähe schon jemand durch den Türspion und würde am Ende noch die Polizei rufen. Die Erwähnung der Amtsgewalt schien tatsächlich etwas Leben in ihn zu bringen, mit ziemlich

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