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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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wechselte dann gleich das Gesprächsthema: »Wo fahr’n wir eigentlich hin?«
    »Nach Kerava. War das nicht klar?«
    »Ich meine, wohin dort? Aber das reicht wahrscheinlich. Kerava.«
    »Und wo musst du hin? Und für wie lange?«
    »Das ist bloß so eine Art Dienstreise«, sagte er trocken und ein wenig hitzig. Dann bog er plötzlich von der Hämeentie in die Mäkelänkatu ab, viel zu abrupt und offenbar vonder falschen Spur aus, weil hinter uns gehupt wurde. »Das Übliche.«
    »Ich weiß nicht, was das Übliche ist«, sagte ich und hielt mich instinktiv am Griff fest. »Jedenfalls nicht bei dir.«
    »Doch, du weißt es schon«, sagte er und versuchte, einen anderen Gang reinzurammen. Ein fürchterlich gequältes Geräusch war zu hören. »Wenn man am Leben bleiben will, muss man alles Mögliche tun.«
    Ich sah ihn wahrscheinlich ziemlich missmutig an, in meinem Versuch, die strenge Mutter zu spielen. Hinter seinem Profil ratterten die gelblichen Häuser von Vallila vorbei, als rollte draußen ruckartig eine Hintergrundkulisse vorüber, obwohl in Wirklichkeit natürlich das Auto ruckelte, oder war es der Fahrer oder das Auge, plötzlich war das schwer zu entscheiden, wieder einmal verschwamm alles irgendwie. Um die schlimmsten Täuschungen zu vermeiden, fragte ich oder konstatierte ich vielmehr, was er mit »alles Mögliche« denn so meine, und fügte gleich hinzu: »Wo fahren wir eigentlich hin, soweit ich weiß, ist das die völlig falsche Richtung.«
    »Ich muss tanken«, sagte mein Sohn. »Ich hab in Käpylä an der Esso-Tankstelle, oder wie sie neuerdings heißt, irgendwie anders, aber egal, auf jeden Fall hab ich da einen Kumpel und krieg das Benzin billiger.«
    An der Kreuzung Sturenkatu hatte eine Straßenbahn einem Krankenwagen eine Beule in die Flanke gerammt. Das Blaulicht des Sanitätsautos blinkte noch, man konnte unmöglich sagen, wie die Lage war, ob hinten drin jemand im Sterben lag oder was, und es wurde auch nicht weiter deutlich, weil mein Sohn sich in haarsträubendem Tempo an dem Stau vorbeischlängelte, dabei sogar einen Haken über den Bürgersteigschlug und nach der Kreuzung auf der leeren Mäkelänkatu weiterfuhr, über die ein plötzlicher Windstoß Blätter aus Linden und Ahornbäumen flattern ließ wie einen Zierschleier.
    »Da war ein Unfall«, sagte ich. »Man hätte hingehen und gucken sollen.«
    »Also, was ist das jetzt für eine Arbeit, die du machst?«, fragte mein Sohn. »Ich mein bloß, ob ich nicht deinen Chef anrufen sollte, falls du einen hast, und ihn fragen, was das eigentlich für eine abartige Firma ist, wo man sich nicht mal krankschreiben lassen darf. Ist dir eigentlich klar, wie du aussiehst?«
    Heftiger Zorn wallte in mir auf. »Hast du gehört?«, kreischte ich. »Da hat es womöglich Verletzte gegeben.«
    »Mama, das war ein Krankenwagen.«
    »Ach, und Leute in einem Krankenwagen überleben alles, oder wie?«, zischte ich und klang schon wieder deutlich giftiger, als ich wollte.
    »Mama. Was ist das für ein Job, den du da hast? Was ist mit deinem Gesicht passiert?«
    »Wo ist das Auto her?«
    Da saß ich also, mit meinem Sohn, meinem eigenen Sohn, und wir verdächtigten und belauerten uns und guckten uns misstrauisch an. Das Schwimmbad Mäkelänrinne zog vorbei, Kinder in bunten Trauben und sehnige, hauptsächlich einzelne Erwachsene wanderten ihm entgegen, dann kamen die großen, gelben Mietshäuser von Sofianlehto und die Hebammenschule mit der Geburtsklinik, die wir beide natürlich kannten, aber wegen der gerade vorherrschenden Stimmung dachte man lieber nicht an einen bestimmten, unglaublich warmen Apriltag anno dazumal zurück; dann wurde der Klinikturmauch schon von der gelben Gischt der Birken, Ahornbäume, Linden und Eichen abgelöst sowie von einem ernüchternd feuchten Felsdurchbruch, der auf einer Strecke von mehreren Hundert Metern von zwei Fortbewegern im Sportdress und einem zur Geschäftsverrichtung stehen gebliebenen Hunde-Mensch-Leinengespann gepunktet wurde.
    Mein Sohn blinkte rechts. Der Blinker klackerte nicht wie üblicherweise, sondern tickte, und zwar quälend unregelmäßig. Fünf Meter bevor er in die Seitenstraße und zur Tankstelle abbog, bat er um Entschuldigung, mein Sohn.
    »Entschuldigung«, sagte ich ebenfalls.
    Damit war die Angelegenheit zumindest für eine Weile aus der Welt. Wir schwiegen, mein Sohn fuhr das Auto holpernd an die Tankstelle, Esso hieß sie tatsächlich nicht, man hatte sie mit einer Buchstabenkombination benannt,

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