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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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etwas. Mir fiel ein drittklassiger Krimi ein, in dem ständig wiederholt wurde, dass etwas nichtstimme; und diese Assoziation machte mir bewusst, dass ich vergessen hatte, die Bücher in die Bibliothek zurückzubringen. Jetzt war daran allerdings nichts zu ändern. Etwas stimmte nicht.
    Als ich all diese Dinge betrachtete, die in der Küche untergebracht waren, die Duftkerze, das Glasflittergehängsel, die Fernostleuchte, die Sternkarte, den Flimmerglanzkram, das Bergkristall-Arrangement und den Zaubersteinhaufen auf dem Messingteller, kam es mir vor, als deute nichts von allem darauf hin, dass hier ein alter einsamer Mann wohnte, wofür ich den Hausherrn auf den ersten Blick gehalten hatte. Am liebsten hätte ich ihn gefragt, ob er irgendwo eine Frau habe, nicht unbedingt versteckt, aber vielleicht auf der Arbeit. Dann wurde mir bewusst, dass er mich für ein Mädchen von der Sozialstation gehalten hatte, weshalb schwerlich eine Ehefrau vorhanden sein dürfte, jedenfalls keine im erwerbsfähigen Alter, falls er nicht ein grässlicher alter Bock war, der sich ein junges Flittchen hielt, auch wenn ich das nicht glauben konnte, irgendwie schimmerte durch, dass er eine gute Haut war, der Ilmari Hätilä, ein sympathisch-verschrobener alter Mann.
    »Hören Sie«, fing ich dann doch an, denn mich überkam das Bedürfnis, etwas zu fragen, aus Neugier zwar, aber es war auch Fürsorgebedürfnis dabei. »Herr Hätilä. Ilmari.«
    Er antwortete nicht. Ich stand an der zerkratzten Spüle und drehte mich zu ihm um. Sein gestreifter und fleckiger kleiner Kopf war nach hinten gekippt, als zöge ihn jemand heftig an den Haaren. Die Augen und der Mund standen offen, die kleine dunkelrote Zunge ragte zwischen den gelben, aber immer noch hartnäckig im Zahnfleisch verharrenden Zähnenhervor. Jesusmariaundjosef, dachte ich, und schon war mein Kopf voller fremdartiger Lamentos, wo kamen die jetzt wieder her, all die Ausdrücke wie Herr im Himmel, Gütiger Gott, Herr Zebaoth und Frau des Potiphar; aber dann geriet auch das schnell außer Sicht, dieser ganze religiöse Bilderatlas, und in meinem Kopf toste nur noch der Gedanke, jetzt ist er gestorben, der Alte, was soll ich mit dem jetzt machen. Und dann, nach zwei weiteren Umgotteswillen, dachte ich, wie soll ich das denn alles erklären.
    Da schnarchte er auf, machte Schmatzgeräusche und stöhnte.
    Ich musste an der Spüle Halt suchen, das Aufjaulen in der Kehle unterdrücken und mein Herz beruhigen, das durch den Schreck gewaltig losgaloppiert war. Ich hatte mich allerdings schnell wieder gefasst, obwohl ich mich gerade noch wie ein knochenloser Haufen gefühlt hatte, wie ein Sack voll Menschenmüll, zum Untergang verdammt. Ich beförderte die Tassen in übertrieben langer Bewegungsbahn auf den Tisch und schwafelte etwas Wirres vom herrlichen Kaffeeduft und vom schönen Wetter. Als ich mich zu Hätilä vorneigte, um seine Tasse zu füllen, fuhr er aufschnarchend hoch und brüllte: »Schön! Ja. Schön, schön, genau. Schön. Und wie schön. Aber bald regnet’s.«
    Und da er selbst mit keinem Wort seinen Schlaf oder sein wirres Gerede kommentierte, sondern sich über seine Tasse beugte, die Lippen zur Saugtüte spitzte und den Kaffee einschlürfte, als würde er etwas schnupfen, beschloss auch ich, es locker zu nehmen, und setzte mich. Wir tranken den heißen Kaffee und mümmelten von dem Hefezopf, den ich im Kühlschrank gefunden und fix in die Mikrowelle geschoben hatte,nachdem ich auf der einen Seite den Schimmel abgekratzt hatte. Ein angenehmer Nachmittag entspann sich dabei, das konnte man irgendwie spüren, nach dem Schreck von eben ging es nun wieder ruhig und gemächlich zu, es war gut, bei dem seltsamen Väterchen zu sitzen, zusammen und zugleich jeder für sich.
    So verstrich eine ganze Weile, aber dann ging ich in kleinen Raten dazu über, meine Angelegenheit in Angriff zu nehmen, ich raschelte wieder in der Handtasche, als suchte ich intensiv nach etwas, fände es aber nicht, denn bei Hätilä hatte ich irgendwie das Gefühl, kein Papier zu brauchen, es war sinnlos, natürliche Ressourcen an ihn zu verschwenden, was womöglich etwas boshaft gedacht war, weshalb ich den Gedanken auch zurückzog, aber es stimmte, dass ich mit ihm nicht so förmlich werden wollte, sondern einfach nur da sein, und schließlich war es ja auch der erste Besuch, ich sondierte erst mal nur das Kundenpotenzial, das war ein gutes Muster. Es kam ein stiller Augenblick, die Uhren tickten vor sich hin,

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