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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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murmelte okay, und ich tätschelte ihm den kleinen eierförmigen Kopf. Dann flitzte er schon wieder mit seinem Rädchen los, und ich setzte mich ebenfalls in Bewegung.
    Als ich den Parkplatz erreichte, gab das Haus ein Lebenszeichen von sich, in Gestalt eines Fensters, das im dritten Stock aufging. Eine Weile stand ich verwundert an der Parkplatzecke, weil auf keiner Seite des Hauses ein Haupteingang zu entdecken war. Um die Ecke, seltsamerweise auf der Waldseite, fand sie sich dann aber, die Tür. Zwischen Haus und Wald hatte man so etwas wie einen kleinen Spielplatz hineingezwängt, es gab einen Sandkasten und eine Schaukel mit Autoreifen und ein kleines Karussell, das sich langsam drehte, als hätten dort gerade erst riesige Finger ein kleines Kind abgepflückt und in den Himmel gehoben. Im Sandkasten lag ein zerbrochener roter Eimer und daneben ein alter Schaumlöffel, von dem das Email abgeplatzt war und dessen Griff jemand zum Schwan verbogen hatte.
    Ich berührte die Tür, die sogleich aufging. Meine Nase schien sich noch gut an den letzten Türunfall zu erinnern und sendete einen scharfen, heißen und roten Warnschmerz in den ganzen Körper aus. Ich verstand die Botschaft, nämlich dass ich mit dem Riechorgan nicht weiter beziehungsweise genau genommen nirgendwo hingehen sollte. Aber dann kam ein dünner, beinah durchsichtig wirkender Teenagerjunge in einem umhangartig großen Kapuzenpulli aus der Tür. Aus irgendeinem Grund vergaß ich alles andere und fragte mich schon, ob es hier überhaupt Erwachsene gab oder was für ein seltsames Kinderghetto das eigentlich war, und offenbar versank ich so sehr in Gedanken, dass der Junge es für nötig hielt, sich zu räuspern. Als ich mich mit einem Ruck wieder in die Welt zurückbegab, begriff ich, dass er pfahlgerade dastand und mir die Tür aufhielt.
    »Danke«, sagte ich und lächelte ein zweites Danke hinterher.Er schaute mir tapfer in die Augen; die seinen waren aus demselben durchsichtigen Material wie der Rest seines Körpers, sie ähnelten zwei Wassertropfen im schwerelosen Zustand.
    »Bitte sehr«, sagte der Junge.
    Verwirrt von all den höflichen Kindern und Jugendlichen, auf die ich neuerdings alle naslang stieß, schlüpfte ich hinein. Im Treppenhaus war es dämmrig, fast dunkel. Ich drückte den orange glühenden Schalter, der ein leicht furchterregendes, britzelndes Geräusch von sich gab, bevor das Licht anging. Eine Art Eingangshalle gab es nicht, die Treppe führte fast unmittelbar hinter der Tür nach oben. Gleich beim ersten Fenster erschrak ich vor meinem eigenen Spiegelbild, die Nase sah entsetzlich aus, am ehesten ähnelte sie einer Rosamunde-Kartoffel mit schwarzen Stellen, und diese Feststellung steigerte in keiner Weise die Motivation, weiter hinaufzugehen, vielmehr überkam mich das Bedürfnis: Nichts wie nach Hause. Aber dann fiel mir doch ein, warum ich eigentlich hier war, nämlich um zu warten, bis mein Sohn weit genug weggefahren war und sich nicht mehr einmischen würde, genau, was also war zu tun, am naheliegendsten war es, sich mit so einer Nase von anderen Leuten fernzuhalten, aber ich dachte auch so etwas wie, ich sehe mir noch ein bisschen das Treppenhaus hier an, so lange, bis mein Sohn garantiert über alle Berge ist, vielleicht werfe ich bei der Gelegenheit einen Blick auf die Namen, für alle Fälle, außerdem ist es immer schön, einen Blick darauf zu werfen, auf die Namen, meine ich, sich zu überlegen, was für ein Mensch sich hinter der jeweiligen Buchstabenfolge verbirgt.
    Allem Nachdenken zum Trotz ging ich wie an der Leinegezogen weiter. Im ersten Stock roch es nach gebackenem Fisch, und zwar nicht nach verlässlichem Familienlachs, sondern nach einem verdächtigen Großküchenflossentier, wie man sie in den Aluformen im Kühlregal schwimmen sehen kann, mit Fettaugen gesprenkelt und in fahler Tunke. Ich stapfte durch das übel riechende zweite Geschoss, auch hier gab es Türen mit Birkenfurnier und spärlich gepunktetem grauem Steinfußboden sowie natürlich Namen, zwei Mal Virtanen nebeneinander, ein Korhonen und ein einzelner Nieminen, der in dieser Umgebung wirkte wie einer, der was ganz Besonderes sein will. Dann war ich auch schon im dritten, wo Laine, Kerosuo, Maksimainen und Vähälä wohnten, wobei Letzteren bestimmt der großspurige Nachname des Vorletzten wurmte, und schließlich überflog ich im vierten die Türen von Merikoski, -kallio und -kanto und stand schließlich vor einer Tür, auf deren Briefklappe

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