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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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in einigen Städten und Ländern war die Zeit komplett stehen geblieben. Ich fing an, Fragen zu stellen, ich dachte, ich mache das alles möglichst entspannt, aber so ganz funktionierte es nicht, auf einfache Fragen kamen zwar Antworten, doch waren sie ziemlich arrangierter Natur, Name, Ilmari Ensio Hätilä geborener Hätilä noch immer, Aha, Hihi, Familie, So gut wie keine, Familienstand, Witwer, Mein Beileid, Ja aber Kinder gibt’s, Wie viele, Sagen wir so: Ich kann mich nicht erinnern, Aha, Genau, Dann reden wir kurz über den Schulabschluss und den beruflichen Werdegang, Unbedingt, Eben also nach Schulabschluss und beruflichem Werdegang habe ich gefragt, Ich habe geglaubt wir sollen darüber reden, Da hab ich michvielleicht etwas ungenau ausgedrückt, Das haben Sie aber wieso sieze ich dich schon wieder, Ist nicht nötig, Eben, Und wie war das mit dem Schulabschluss, Ja also eine Prise Gymnasium und vom Rest ein paar Krümel, Aha, Und unterrichtet hab ich das Volk wie auch das Volksschulvolk, Großartig, Wieso, Na das finde ich halt, Von mir aus, Mögen Sie Hühnerleber, Ganz bestimmt nicht aber was für eine Fangfrage ist das jetzt.
    So unsinnig ging es weiter, aber dabei irgendwie im gegenseitigen Einverständnis, ein bisschen wie bei einem Spiel. Beide begriffen wir, wie plemplem das Ganze war, wie Hätilä sich ausdrückte, aber es gefiel uns beiden eben, einfach dazusitzen und dummes Zeug zu reden.
    »Und du?«, fragte der Alte dann, nachdem wieder ein bisschen was Fragenartiges hin- und hergehüpft war. »Wie ist denn Ihr, oder dein, Leben.«
    »Na ja«, sagte ich und schaute auf sein linkes Glas, in dem sich in dem Moment die vergoldete Maske, die hinter mir an der Wand hing, spiegelte.
    »Ich verstehe.«
    »Äh, wie bitte?«
    »Es schleudert einen hin und her wie Gott den Bettler.«
    »Äh, wie bitte?«, fragte ich noch einmal. Es machte mir Angst, dass der Alte offensichtlich weitaus mehr sah, als es den Anschein hatte. Mir blieb jedoch keine Zeit, länger in Unheimlichkeit zu schwelgen, denn ich vernahm Geräusche aus Richtung Tür.
    Zweifellos wollte jemand die Wohnung betreten.
    Die Tür wurde rasch aufgesperrt, dann hörte man, wie ein Kleidungsstück irgendwie unwillig auf einen Bügel und dannan die Stange geraschelt wurde. Und auch wenn ich noch so gern bloß aus dem Fenster geschaut hätte, auf die überraschend zur Zuflucht gewordene Universalkiefer, so war ich über kurz oder lang doch gezwungen, den Kopf wieder in die Wirklichkeit zu drehen und die Aufmerksamkeit auf die plötzlich in der Küche auftauchende ernste Präsenz zu richten, die ich im Rücken und im Nacken spürte, als wäre ein Gespenst hereingehuscht.
    Ich blickte kurz zu Hätilä, dessen kleine Augen sich verrenkt hatten, um weit ins Innere zu schauen. Da von ihm keine Hilfe zu erwarten war, musste ich schließlich allen Mut zusammenraffen und den Ankömmling ansehen.
    Dieser stand vor dem Geschirrschrank, hatte die Hände in die Hüften gestemmt und sah aus wie eine in Wallung geratene Bäuerin, die einem Fünfzigerjahrefilm entsprungen war. Ansonsten hatte sie nichts Bäuerinnenhaftes an sich. Sie war ebenso groß wie drall und unübersehbar eifersüchtig. Unter ihrer Nase schimmerte ein dunkler Schatten, wodurch mir unmittelbar der Gedanke kam, dass unter ihren Achseln wahrscheinlich üppiges Gestrüpp wucherte, und da ich den Gedanken nun mal in den Kopf gelassen hatte, brachte er mich zuerst zum Lachen und gleich darauf zum Schämen. Sie starrte mit erzürnten, eisigen Augen zurück. Diese standen in grundlegendem Widerspruch zu ihrer Mutter-Erde-Erscheinung, welche nicht nur durch ihre Rundheit, sondern auch durch den bis zu den Knöcheln reichenden, in Gelb und Orange sprühenden Batik-Kaftan und die erkleckliche Menge an orientalisch angehauchtem Glitter um den Hals betont wurde. Ihre Nüstern blähten sich und bebten.
    »Sieh an«, sagte sie mit fahler, aber massiger Stimme undhielt es für das Beste, dieses »Sieh an« einen Moment später noch einmal zu wiederholen.
    Dann setzte sie einfach das quälende Starren fort. Ihr Zorn schien ein grausames Urteil zu enthalten, fast kam es mir vor, als hätte sie mich mit dem Alten, der mir gegenübersaß, im Bett oder bei sonst etwas Schrecklichem erwischt, ich wollte alles erklären, um Entschuldigung bitten, für was auch immer, bei dem sie mich erwischt hatte. Zu weiterem Entsetzen kam ich fürs Erste jedoch nicht, denn der Alte schien die Besucherin nun endlich zu

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