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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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sie dem Lappen in der Luft einen Klaps. Er gab ein gerade so eben als feucht zu identifizierendes Klatschen von sich.
    Dann sagte sie immerhin: »Schön, dass du da bist.« Prompt verknotete ich mich. Man konnte unmöglich sagen, in welchem Ton die Aussage verschickt worden war, freute sie sich tatsächlich oder war sie eisig oder irgendwie komplett ausdruckslos, die Irja? War sie irgendwie distanziert? Abweisend?Vielleicht etwas reserviert? Auf der Hut? Was dachte sie? Dass da wieder die falsche Marktforscherin stand und spionierte? Und noch weniger kapierte ich, als sie mit dem Lappen auf die Postkarte vom Puuhamaa-Vergnügungspark wies, die in der Diele auf dem kleinen Tisch lag, und mit dem gleichen tonfalllosen, uninterpretierbaren Ton sagte: »Du hast mir vielleicht einen schwarzen Humor.«
    »Hallo, du«, konnte ich mit Mühe sagen.
    Dann lotste sie mich auch schon weiter in die Wohnung hinein, ohne mich ablegen zu lassen, und ihr Schubsen war so entschlossen, dass unweigerlich mit einer verhörähnlichen Sitzung am Tisch samt schlimmer Rügen zu rechnen war. Und an den Tisch dirigierte sie mich auch, sobald wir in die Küche gekommen waren, setzte sich selbst aber nicht hin, sondern ließ äußerst langsam und mit kaugummizähen Bewegungen Kaffeewasser in den Behälter rinnen und mich auf meinem Platz steif nach hier und dort gucken. Am allerliebsten hätte ich einfach irgendwie um Entschuldigung gebeten, aber da ich mir absolut nicht im Klaren war über sie, Irja, musste ich versuchen zu erkennen, ob irgendwo die Zeitung lag, ob Irja sie schon vor Augen gehabt hatte; aber die einzige Publikation, die ich lokalisieren konnte, lag auf dem Küchentisch und trug den Namen ›Der Anzeiger‹, was unter günstigeren Umständen vielleicht sogar ganz erheiternd gewesen wäre, mich jetzt aber kein bisschen zum Lachen brachte.
    Dann bekam ich auch schon wieder einen neuen Grund zu erschrecken, als vom Flur her plötzlich ein seltsam slawisch zischelndes Toilettenspülgeräusch hereindrang und gleich darauf eine Tür aufging und Irjas Mann in die Küche rauschte. Da stand er nun und sah mich an, finster, unrasiert und zumindestmeiner Meinung nach auf eine Weise, als hätte auch er einen schrecklichen Vorwurf in der Gesäßtasche oder wo man die nun aufbewahrte. Ich versuchte zu erahnen, wie die Lage war, bei ihnen zu Hause, ob sie noch immer oder schon wieder Streit hatten, aber das klappte nicht, weil es in meinem Kopf kohlenfeuerartig zischte.
    Und gerade als ich schon nahe daran war, auch ihm, dem Mann, etwas zuzuschreien, sagte er bloß Hallo und machte auf dem Absatz kehrt und verschwand durch die Tür.
    Er hatte eine Zeitung unterm Arm.
    Am liebsten wäre ich ihm nachgerannt, hätte ihn angefallen, ihn im Flur mit einem Bodycheck gegen die Wand gepresst, ihm die Zeitung entwunden und sie zerrissen oder in den Mund gestopft wie in der Großstadtlegende der Punker die Fahrkarte. Der ganze Unsinn blieb jedoch auf gedanklicher Ebene hängen, weil der Mann ja schon weg war und von Irja abgelöst wurde, die sich mir gegenüber hinsetzte, umgeben vom vertrauten Wurzeluhr-Heiligenschein. Wir hatten nämlich unsere feste Platzaufteilung. Ich versuchte ihr in die Augen zu schauen, und sie hatte keinerlei Schwierigkeiten, zurückzuschauen, deshalb hatte ich ja auch angefangen, sie zu mögen, sie war eisern, diese Frau, und darum in dieser Situation natürlich ziemlich unheimlich, unweigerlich dachte man fieberhaft, was sitzt sie jetzt so still und leise da, mit einem wehmütigen Halblächeln im Gesicht, und guckt aus dem Fenster, was wusste sie, wusste sie etwas, und wie ging es ihr überhaupt, hing bei ihnen der Haussegen schief, hatte ich alles noch schlimmer gemacht? Es war jedoch unmöglich, eine Antwort darauf zu formulieren, mein Magen knurrte bloß und die Kaffeemaschine ebenfalls, die Zeitung war nirgends zu sehen,hatte sie der Mann, las er gerade auf der Couch den Artikel über mich, mit einem fürchterlich gemeinen Grinsen auf dem unrasierten Beurlaubtengesicht und dem Gedanken: Gleich stehe ich auf und überführe das Weibsstück.
    »Und, wie geht’s?«, fragte Irja dann.
    »Ich muss aufs Klo«, piepste ich.
    Ohne weitere Worte zu machen, stand ich auf und ging, ließ Wasser aus dem Hahn laufen, so viel, wie meiner Ansicht nach bei der Verrichtung eines Grundbedürfnisses angemessen war. Dabei konnte ich unmöglich meinem Gesicht ausweichen, das mich aus dem Spiegel über dem Waschbecken anstarrte: Die kolossale

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