Der Tag der roten Nase
Schwellung der Nase ging zwar allmählich zurück, aber gleichzeitig leerte sie sich auch irgendwie, ein bisschen so, als hinterließe der schwindende Inhalt bloß verbeulte Haut über dem Nasenknochen. Außerdem hatten sich das Rot und Schwarz inzwischen zumindest auf der linken Seite in etwas schauderhaft Grünliches verwandelt. Die Augen rechts und links der Nase wirkten fern und klein. Sie waren einst als schön und entzückend bezeichnet worden, irgendwann, vor nicht einmal wahnsinnig langer Zeit.
Ich puderte mich, so gut es ging, und schlug mir die Nase wenn nicht aus dem Gesicht, so doch aus dem Kopf. An der Wand hinter mir entdeckte ich eine vierteilige Handtuchhakenreihe. An jedem Haken hing ein Handtuch, alle vier in hübschem Farbkontrast zueinander, aber aus der gleichen Pastellfarbenserie. Darüber hingen die Namensschilder: AJRI, ONIER, ELLAK und ANNA. Das machte mir fast ein schlechtes Gewissen. Die Namen von Irjas Kindern kannte ich gar nicht, sie waren offenbar an mir vorbeigerauscht. Wie mochte es ihnen wohl in dieser Situation gehen?
Dann wurde mir endlich bewusst, dass man sich nicht stundenlang in einem fremden Bad aufhalten konnte, um auf sich einzudreschen, und irgendwie gelang es mir dann auch, mich in den Flur und zur Wohnzimmertür zu schleppen.
Er lag auf der Couch, der Mann, bei zugezogenen Vorhängen, das bläuliche Zucken des Fernsehers auf den Wangen, die Zeitung aufgeschlagen auf dem Bauch, aber aus der Entfernung war unmöglich zu sagen, um welche Publikation es sich handelte. Ich hatte Angst, etwas zu unternehmen, weil ich nichts über ihn wusste, in welcher Gemütsverfassung er sich befand oder was er überhaupt für einer war, auch wenn man sich natürlich schwer vorstellen konnte, dass Irja ein Vollscheusal zum Mann genommen hatte. Die Möglichkeit bestand aber natürlich. Und da der Mann von keinem der beiden Medien den Blick abzuwenden schien, schlich ich, angeschubst von einem Impulsteufelchen, seltsam geduckt weiter ins Zimmer hinein. Dabei stieß ich jedoch gegen eine Goldfruchtpalme, die ihre Blätter heimtückisch von einer Säule in der Ecke hängen ließ und beleidigt raschelte.
»Oho«, machte Irjas Mann.
Sofort stellte sich das Bedürfnis ein, etwas Beruhigendes zu sagen, seinen Namen in beschwichtigendem Ton zu gurgeln oder so etwas, aber der war nun schon wieder wie ausradiert, der Name, obwohl ich ihn gerade erst am Handtuchhaken im Bad gelesen hatte.
»Irma!«, schallte es aus der Küche.
»Hallo!«, rief ich aus vollkommen unbegreiflichen Gründen zurück und fügte, noch immer auf den Bauch des Mannes glotzend, flüsternd hinzu: »Was läuft denn?«
In der Küche wurde es still, im Wohnzimmer wurde es still,für eine Weile schien es, als wäre es in ganz Kerava still geworden, und erst als ich bereits anfing, über all die Stille nachzudenken, bemerkte ich, wie still es tatsächlich war. Es kam mir vor, als starrte mich jemand an, und als ich es dann wagte, die Augen zu öffnen, starrte tatsächlich jemand, Irjas Mann, sogar sein Name fiel mir wieder ein: Reino, Reino war es, der mich anstarrte, mit Augen, über deren Ausdruck man bei dem Licht unmöglich etwas sagen konnte. Und gleichzeitig kam es mir vor, als guckte mich noch jemand an, die Kinder im Rahmen auf dem Regal, der Fernseher, die Grünpflanzen, auch Irja irgendwo um die Ecke.
Es gelang mir zu flüstern, ich hätte das Fernsehprogramm gemeint, und schlich etwas vor, um die Zeitung zu sehen. Reino wiederum sah mich an, als wäre ich im Begriff, mich auf ihn zu werfen, und wirkte daraufhin noch verknoteter, weil ich mich statt dem Fernseher der Zeitung entgegenreckte, er hatte die Sportseiten einer Boulevardzeitung aufgeschlagen, und ich wusste nicht recht, ob ich erleichtert sein oder mich noch mieser fühlen sollte, da der eigentliche Problemauslöser noch immer nicht gefunden war. Und weil ich in gewisser Weise meine Aufgabe im Wohnzimmer nun erfüllt hatte, überkam mich schnell die Ratlosigkeit: Mit irgendeinem Trick musste ich mich jetzt aus der Situation herauswinden.
Und als Irja dann aus der Küche rief: »Der Kaffee ist fertig!«, murmelte ich bloß etwas möglichst Undeutliches und wuselte so schnell ich konnte aus dem Zimmer.
In der Küche stellte Irja klappernd Tassen und Untertassen auf den Tisch. Eigentlich klapperte sie nicht, sondern klingelte damit wie mit kleinen Schellen. Zufällig drehte sie sich genau in dem Moment, in dem ich die Küche betrat, zurSpüle um, was mir die
Weitere Kostenlose Bücher