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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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durchdringendes Blau und dazwischen von der Sonne gewärmte Farbtöne wie in der Werbung.
    Von irgendwoher war ein heiseres Hallo zu hören.
    Unwillkürlich drehte ich mich zur Rückbank um, aber dort saß natürlich niemand. Es war mein Sohn, der seine Hallos aus dem Handy trötete, weil ich vergessen hatte, es auszuschalten. Ich hielt es wieder ans Ohr. Der Junge rief erneut sein Wasichbloßsagenwollte und schaffte es nach mehreren Versuchen schließlich, seine Aussage zu komplettieren, indem er grölte: »Ich wollte bloß sagen, dass ich dann ab morgen weg bin! Ich ruf wieder an!«
    »Alles klar«, sagte ich, für mehr reichte es nicht, die Ruferei meines Sohnes war noch immer nicht richtig bis in meinen Bewusstseinsapparat vorgedrungen. Noch einmal sagte ich, jetzt müsse ich mich wirklich aufs Fahren konzentrieren.
    »Tschüs dann!«
    Ich versuchte mütterlich-geduldig zu seufzen, auf die Art, in der ich normalerweise die Augen zur Decke oder zum Himmel verdrehe, aber daraus wurde natürlich nichts. Ich konnte den Blick nur nach vorne richten, wo zwischen den vorbeisausenden Autos nun wieder eine undeutliche, näher rückende Silhouette zu sehen war, und auch sonst schienen sämtliche rhetorischen Mittel von der mit Ach und Krach unterm Deckel bleibenden Panik abzuprallen, die durch die Zeitungsmeldung in mir ausgelöst worden war. Die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, als könnte plötzlich in irgendeinem Körperwinkel ein Riss entstehen und die gesamte durcheinandergeratene Innenwelt mit grässlichem Getöse ins Universum ausbrechen.
    Dann, völlig unerwartet, hatte ich in weniger als fünzig Metern einen Laster vor mir. »Hilfe!«, kreischte ich ins Telefon und rammte instinktiv den Fuß aufs Pedal. Es war das Gas. Das Auto beschleunigte schluchzend, nicht sonderlich heftig,aber eine Beschleunigung war es, in Anbetracht der Tatsache, dass meine ursprüngliche Absicht darin bestanden hatte, auf die Bremse zu treten. Und bei dem bisschen Zeit, das blieb, um überhaupt etwas auf die Reihe zu kriegen, war es schwer zu begreifen, dass ich offenbar beim Telefonieren entsetzlich schnell gefahren war; in dem Moment aber, in dem der Fuß das Bremspedal fand und das Auto anfing zu schlingern, weil die Bremsen ihr Bestes gaben, wurde mir bewusst, dass der Klotz von Laster mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf der rechten Fahrspur stand.
    An meinem Sohn war der Hilferuf anscheinend komplett vorbeigegangen; ich hörte ihn nur was über Tür und Benzin und Tank oder Benzintank röhren, bevor ich das Handy auf den Boden werfen und mit beiden Händen das Lenkrad umklammern musste. Zum Überlegen blieb keine Zeit mehr: Ohne irgendwo hinzugucken scherte ich nach links aus, andere Autos waren zum Glück gerade nicht in der Nähe, und nachdem es mir gelungen war, dem Heck des Lasters mit Müh und Not auszuweichen und auf die linke Spur zu gelangen, trat ich aus purer Erleichterung und Beruhigungsbedürfnis wieder voll auf die Bremse. Plötzlich waren sie erneut hinter mir, die Autos, ein furchtbarer Haufen, blinkend und hupend.
    Als ich die Schlange an dem stehenden Laster vorbeigeleitet und mich wieder auf die rechte Spur getrollt hatte, fuhr ich vorsichtshalber mit knapp vierzig weiter. Die Fingerknöchel leuchteten beinern weiß am Lenkrad, ich hielt es so fest umklammert, dass sich das für die Hände bestimmte Zittern in andere Körperbereiche hinein fortsetzte, aus irgendeinem Grund vor allem ins rechte Bein. Das Auto kroch und zockelte voran. Auf der linken Spur sausten Fahrzeuge in sämtlichenGrößen vorüber. Hinzuschauen traute ich mich nicht, aber irgendwie spürte ich die erhobenen Fäuste und gereckten Finger und gemurmelten Kraftausdrücke auch so.
    Dann war es plötzlich da, Kerava. Ich bremste mich auf die feuchte Abfahrt und schlich das Gefälle zur Ampel hinunter, mit einer neuen Autoschlange hinter mir.
    Und man darf es wohl als kleines Wunder bezeichnen, dass ich überhaupt zurandekam, weil ich es vom Lenkrad aus noch weniger als meine Heimatstadt kannte. Ständig fuhr ich auf der falschen Spur, vor jemandem oder sonst wie im Weg, oder ich fuhr auf einen Gegenstand oder ein Lebewesen zu. Noch bevor ich die Randbezirke der Stadt erreichte, war ich so fertig mit den Nerven, dass ich eine Kindergartengruppe, die in ordentlichen Zweierreihen einen Zebrastreifen überquerte, zu einem in alle Richtungen rennenden Durcheinander aufscheuchte, weil ich aus Versehen auf die Hupe drückte; dann ließ ich das Auto

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