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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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Kleineinheiten unter dem Mikroskop tun sehen kann, und drehte den Zündschlüssel. Es ertönte ein totenbettartiges Keuchen, es klang ein bisschen wie ein düsteres letztes Lachen. Beim fünften oder sechsten Versuch erwachte der Motor zum Leben und brachte das ganze Auto zum Schaukeln, aber ich hatte weder die Zeit noch die Fachkompetenz, um wegen der verschiedenen Phänomene Argwohn zu entwickeln, sondernrammte, anstatt mir den Kopf zu zerbrechen, den Rückwärtsgang rein und schoss aus der Schrägparkbucht auf die Fahrbahn. Ich trat aufs Gas, ließ die Kupplung springen, und das Auto brauste los.
    Die Bäume jenseits der Bucht waren schwarz; über ihnen fusselte ein kümmerliches weißes Netz vom grauen Himmel. Die einzigen Farben im Bild huschten in Form von geparkten Autos vorbei. Ich schaffte es halbwegs anständig am Runden Haus vorbei, bei dem ich mich fragte, was es mit dem eigentlich auf sich hatte, es schien ständig im Weg zu stehen und brachte alles durcheinander, ganz egal, aus welcher Richtung man kam, und war doch bloß ein einzelnes Gebäude. Während der ganzen Fahrt durch den Stadtteil Kallio fühlte ich mich wirr und halb wach, in der engen Kurvenschlucht am Ende der Hämeentie tasteten sich allmählich die Erinnerungen an die nächtlichen Albträume und Aufschreckmomente und all die schweißtreibenden Hirngespinste heran. Als sich links das schwarze Moor der Schrebergartensiedlung von Vallila auftat, spannten sich meine Gliedmaße unter den Nadelstichen einer unspezifischen Aufregung an, und als ich den Beginn der Autobahn erreichte, war ich bereits wieder so weit, dass ich hätte heulen und schreien können. Spätestens da dämmerte mir: Ich war ohne nachzudenken zu der Fahrt nach Kerava aufgebrochen, obwohl ich mich aller Vernunft nach gerade von dort hätte fernhalten müssen.
    Dann hopste aber schon der Ring 1 über meinen Kopf hinweg und ich musste mich wieder aufs Fahren konzentrieren. Die blattlosen Bäume und all die hüttenartigen Wohnblocksiedlungsformen rauschten vorbei, und so viel auch vorüberrauschte, so kam ich doch ziemlich langsam voran, eine richtigeRaserei brachte ich nicht zustande, ich traute mich nicht, aufs Gas zu treten, obwohl es mich drängte, immer kompakter klatschte der Schneeregen gegen die Scheibe. Und auch wenn ich mit gerade mal fünfzig km/h dahinkroch, so war doch klar, dass ich ihr relativ bald begegnen würde, der Wahrheit oder etwas in der Art, der Stadt, an der man nicht einfach vorbeifahren konnte, selbst wenn ein Panikknödel im Gehirn mir genau das zu tun befahl, auch das Benzin schien bald alle zu sein, was schluckten die heutzutage aber auch so gierig, die Autos; was hieß heutzutage, es war ja ein altes Auto, aber was wusste ich schon von antiken Autos, blabla, aber da half kein Blabla, ich musste die Ausfahrt nehmen und in Kerava eintauchen wie in eine zähe, braune, verlockende und zugleich bedrohliche Schokoladensoße.
    Von da an war es schwer, alles, was Kerava war, zu vermeiden, die Keravantie, den Innenstadtring, die Bahnunterführung, die auflockernden Bauminseln zwischen den grauen Wohnkästen, die letzten Abzweigungen. So gerne ich noch mehr Etappen aller Art zur Kenntnis genommen hätte, es half doch nichts: Ich war am Ziel.
    Ich lenkte das Auto auf dem Parkplatz in eine Lücke, stieg aus, stapfte durch den immer dichter flockenden feuchten Schnee zur Haustür, stieg die Treppe hinauf und war plötzlich da, im richtigen Stockwerk, vor den Türen der Jokipaltios und Jalkanens. Dann ging es los.
    Auf dem letzten Treppenabschnitt war ich noch ganz von der Konzentration aufs Künftige quasi absorbiert gewesen, darum nahm ich all die Leute erst wahr, als ich schon auf der letzten Stufe stand. In dem Stadium konnte ich unmöglich wieder kehrtmachen. Das Fest, dachte ich, das Fest, verflixt,ich hatte nichts gekauft, kein Geschenk, wie peinlich, wie doof, wie unnötig, wie zerknüllend peinlich, als hätte ich nicht ohnehin schon genug mit all den Geschenkangelegenheiten herumgepfuscht, und jetzt stand ich wie eine Idiotin mitten in der Menschenmenge und hätte natürlich jemandem gratulieren und die Hand geben müssen, und zwar mit Geschenk. Kurz dachte ich daran, einfach irgendetwas aus der Handtasche zu kramen, aber was hätte sich da schon finden lassen.
    Also drängte ich mich ohne Gabe in die Menschenfülle, schob und schob mich immer weiter hinein, es wollte gar kein Ende mehr nehmen, das Hineinschieben, mit langsamer, aber tierhafter Hast

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