Der Tag der roten Nase
ihrer Mitte die sich blaubeerhaft abzeichnenden Wachtmeister. Es waren zwei Männer. Der Ältere sah mich finster und augenbrauenbetont an, und der Jüngere, so eine blonde, igelköpfige, umgedrehte Birne, fast ein bisschen verzagt. Und als ich dann von der Tür der Jalkanens her eine in ihrer Vertrautheit unidentifizierbare und in ihrer Unidentifizierbarkeit vertraute Stimme hörte, die garantiert irgendwie mit all dem zu tun hatte, versuchte ich nur noch, mich möglichst rasch, aber doch irgendwie würdevoll Irjas Tür zuzuwenden, schaffte es aber lediglich, die Knie in überlang gekochte Position zu biegen, Stirn und Knie gegen das Türholz gedrückt, die linke Hand auf der Klingel.
»He«, sagte jemand fast flüsternd hinter mir. Ich wandte den Kopf kaum in Richtung der Stimme und spürte, wie sich die Augen in den Höhlen zur Seite drehten. Sie starrten mich alle an, die Menschen ringsum, in einer Art schlichter Bestürzung. Da mir nichts anderes einfiel, schaute ich aus meiner krummen Haltung heraus zurück. Meine Nase war noch immer im Weg, auch wenn sie nicht mehr solche Ausmaße hatte, dass sie die Sicht verdeckt hätte, aber wenn man sie sich erst einmal bewusst gemacht hatte, geriet sie ständig ins Blickfeld.
»Du willst da doch wohl nicht etwa rein?«, flüsterte Mari schließlich. Eine rote Uferlinie fasste ihre feuchten Augen ein.
Ich machte den Mund auf, aber es kam nichts heraus, und wenn man es genau nimmt, bewegte sich weder etwas hinein noch hinaus, nicht einmal Atem. Dann versuchte ich etwas zu sagen, irgendwie musste ich versuchen, eine Erklärung zu liefern, welche auch immer, Maris Frage hatte so verwundert geklungen, und es fand ja schließlich auch bei ihnen statt, das Fest, da war es schon ein bisschen seltsam, direkt an die Türder Nachbarn zu taumeln, aber na ja. Und wo alle mich so anstarrten.
Und dann, während ich noch immer versuchte, mir etwas aus den Rippen zu leiern, drehte ich aus Versehen den Klingelgriff ein Viertel nach rechts, mit der Konsequenz, dass sie ein ziemlich kümmerliches, unter den Umständen jedoch kirchenhaft dröhnendes Bimmeln von sich gab. Und im selben Moment, in dem die Klingel ihren Laut ausstieß, hörte man jenseits der Tür zuerst ein dumpfes Geräusch und dann ein maskulines Brüllen, worauf die Tür sich seltsam schnell öffnete und Irja quasi ins Treppenhaus geschlüpft kam, mit violettem Gesicht und nicht wiederzuerkennenden Augen. Dann lag sie mir auch schon in den Armen, sicherlich nicht speziell in meinen Armen, aber ich stand nun mal ganz vorne, jedenfalls hing sie nun da und war augenscheinlich und auf jede nur denkbare Weise aus der Fassung und prustete und wimmerte mit fest zusammengekniffenem Mund, es war furchtbar, es war unmöglich, etwas zu verstehen, irgendwas, auch wenn man es natürlich versuchen musste, und als Erstes kam mir ihr Mann in den Sinn, ob der da drinnen tobte, ob die Beurlaubung ihn aus den Angeln gehoben, ob er zugeschlagen hatte oder was. Ich musste aber Irja festhalten, sie sah aus, als würde sie gleich zusammenbrechen, kollabieren, wie mein Sohn wahrscheinlich gesagt hätte, wo kam der jetzt her, der Gedanke, ich wusste es nicht, aber als ich Irja nun in einen wackligen Ärmelgriff bekommen hatte, da war auch ihr erstes Wort, nachdem sie den Mund aufgekriegt hatte, eben der Sohn.
Es gelang ihr noch, etwas Undeutliches von einem Unfall auszustoßen, dann versiegten ihre Kräfte und sie sackte in sich zusammen, ungefähr so wie ich kurz zuvor an ihrer Tür, halbhängend und halb lehnend. Ich hielt sie, so gut ich konnte, ziemlich kraftlos, und dann stürzten auch schon schwer atmende und gedämpft lamentierende Nachbarn und Bekannte und Polizisten herbei, um uns beide auf den Beinen zu halten. Als mich der jüngere Wachtmeister am Arm packte, spürte ich einen Moment lang eine elementare zitternde Panik, aber dann geriet auch die unter all dem Kummer in Vergessenheit, und da ich die Situation einfach nicht begreifen konnte, blubberten mir Fragen aus dem Mund: »Was ist los, was ist passiert, was für ein Unfall und was für ein Sohn«, und nachdem ich dann sicherheitshalber fünf Mal das Wasfürein Sohn wiederholt hatte, kam Irja, die kurz bewusstlos und daher auch tränenlos geworden war, wieder zu sich und antwortete: »Na, mein Sohn.«
Dann artete alles in ein einziges Geschubse aus. Ringsum plapperte und klopfte es auf die Schultern, und jemand schien mich auch von Irja loszureißen oder sie von mir, es war
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