Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
Vom Netzwerk:
an der Tür ihrer Nachbarin auftauchte, um einen komischenEindruck zu machen. Irja beeilte sich dann aber, mir zur Hilfe zu kommen, und erklärte, sie würden ein Fest machen, es dauerte eine Weile, bis ich überhaupt begriff, wovon sie sprach, wer ein Fest machte, und als ich dann nach ein paar Leerzeichen endlich verstand, dass die Jalkanens es planten, dieses Fest, und als Irja dann noch sagte, wir haben uns gerade überlegt, ob du vielleicht auch kommen möchtest, da hatte ich irgendwie das Gefühl, als wäre mir im Kopf eine Ader geplatzt, und eine blinde, kindische Schauderlichkeit würde meine ganze sterbliche Hülle erfassen.
    Ich glotzte sie alle der Reihe nach an, Irja, die immer noch ihr Kopftuch aufhatte und den Lappen in der Hand hielt, als müsse sie am Putztag festhalten, komme was wolle; Mari und ihr Mann Jaanis, die ihre Köpfe mit taubenartigem Schläfendrall hielten; das Kind, das auf seltsame Art zwischen seinen Eltern hing, obwohl es sich auf dem Arm der Mutter befand; sein Weinen war zu einem Wimmern ausgefasert, aber am Gesicht sah man, dass irgendwo der Schuh drückte, und meine invalide Nase verriet mir, wo genau. Dann war es aber doch an der Zeit, etwas zu sagen, Schwierigkeiten mit der Lautproduktion ergaben sich diesmal eigentlich nicht, die Worte krochen wie ein zähes Karamellband aus meinem Mund, mein Sohn hatte mit so was als Kind seine Mätzchen gemacht, ich hätte es nicht erlaubt, aber sein Vater hatte ihm die bandwurmartige Süßigkeit immer zugesteckt. Es war also so, dass die Worte wie am Band kamen, ein weinerliches Stottern, von dem ich hoffte, dass wenigstens die Weinerlichkeit irgendwie verborgen bliebe, was wohl kaum der Fall war, dafür war sie zu überbordend, ein Jammern, Wimmern, Wehklagen, o weh, o weh, ihr lieben Leute, was seid ihr so gut zu mir, dass ihr mich zueuch, o je, o je, das kann ich doch nicht annehmen, bei fremden Leuten, da kann ich nicht hin, o je, o je, gütiger Himmel, das wäre doch nicht nötig gewesen, so was von gut und lieb, ihr lieben Leute. Und nachdem sie sich mein Lamento eine Zeitlang verdattert angehört hatten, mussten sie dann ihrerseits dazu übergehen, mir gut zuzureden, und so war für eine Weile der ganze Türrahmen ausgefüllt mit einem länglichen, die Vokale dehnenden, fast jaulenden Wortwechsel, wie ihn Menschen vor Höflichkeit und gutem Benehmen ohne Weiteres bis fast ins Unendliche fortsetzen, ein bisschen so, als würden sie um die Wendung des Geschehens feilschen.
    Ziemlich schnell zog ich mich dann aber doch aus dem blubbernden und brubbelnden Brei zurück: Der Mund funktionierte nur langsam, während die Gedanken bereits den Hang hinunterkugelten, und trotz all des gedämpften Brodelns, das die freundliche Einladung bereits in mir ausgelöst hatte, fing innerlich erneut das Bewusstsein zu hämmern an, dass sie, die Jalkanens, daheim garantiert die Zeitung hatten, ich musste sie an mich bringen, Herr im Himmel, ich durfte sie nicht schockieren, die Jalkanens, diese guten Menschen, diese sympathischen Menschen, diese Menschen.
    Und so setzte ich der ganzen türschwelligen Wortumarmung ein Ende, indem ich seufzte: »Ach ihr lieben Leute, ich komme ja, doch, ich komme, ich komme, aber da war noch was, ja da war was. Da war dieses eine Formular, das habe ich ganz vergessen, gehen wir doch schnell rüber zu euch, ihr braucht ja noch das Formular, dem Kind geht’s ja auch nicht so gut.« Und dann zwängte ich mich auch schon zwischen ihnen hindurch ins Treppenhaus. Sie folgten mir tatsächlich brav und fummelten hektisch an der Tür, da die komische Tantesie zur Eile antrieb, und ich weiß nicht, ob ich den Mann mit meinem Drängen nervös machte, jedenfalls fielen ihm die Schlüssel hinunter, bevor er die Tür aufbekam. In dem Moment, in dem sich der Sesam endlich öffnete, flüsterte ich Irja zu: »Wir sehen uns«, und drängelte mich hinter den sich in ihren Flur zwängenden Jalkanens hinein und war bereits in einem vollkommen anderen Gemütszustand angelangt, die Zeitung, dachte ich, die Zeitung, ich musste sie in die Hand bekommen, und da lag sie auch schon, auf der Fußmatte, der Ministerpräsident lugte mit einem Auge unter der Ferse von Maris weißem Tennisschuh hervor.
    Dadurch bestand kein Anlass mehr, weiter in die Wohnung vorzudringen, doch musste ich mir nun schnell einen Grund einfallen lassen, warum ich sie auf der Stelle wieder verließ. Also fing ich wieder an, heftig etwas Wirres von diesem Formular zu stottern,

Weitere Kostenlose Bücher