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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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und ob es nun pures Versehen oder halb bewusst war, jedenfalls fiel in dem Moment meine Handtasche zu Boden und ich ließ mich gleich danach auf die Knie nieder und riss Kalender, Geldbeutel, Pax-Pastillen-Dose, Taschentuchbündel, zerknitterte Blätter und sonstigen Quasiinhalt heraus, mehr war nicht drin. Gleichzeitig brabbelte ich: »Geht nur nach Hause, ihr lieben Leute, also ich meine in eure Wohnung hinein, das Kind fühlt sich nicht wohl, ich will euch nicht die Zeit stehlen, ich suche das Formular und leg es dann hier hin, das ist eigentlich nichts Besonderes, aber wo hab ich das jetzt.« Und auch wenn ich sehr wohl verstand, dass ich mit jeder Sekunde tiefer in ein entsetzliches Dickicht geriet, so schien es doch auf irgendeiner Ebene zu funktionieren, alles, sie tappte weiter in die Wohnung hinein, die Jalkanen-Familie, mit den vorsichtigen Bewegungen, in die Menschenleicht geraten, wenn ein Fremder ihnen in ihrer eigenen Wohnung Kommandos erteilt, und ich blieb für einen Moment allein im Flur zurück und konnte die zerknitterte Ministerpräsidentenvisage und die irgendwo darunter brennende Nachricht in meiner Handtasche verschwinden lassen.
    Als ich alles beisammenhatte, blickte ich auf und sah mich selbst in einem riesigen Glasgefäß gespiegelt, das vor mir stand und mit Regenschirmen, Walking-Stöcken und sonstigem Dielenkram beladen war. Und da war sie, auf allen vieren auf dem Fußboden in einem fremden Flur, eine Frau mittleren Alters, mit weit aufgerissenen Augen, und wenn man ihr etwas ansah, dann das, dass sie ganz und gar nicht alle beisammenhatte.
    Bevor ich ins Treppenhaus und aus dem Haus und ins Auto stolperte, schaffte ich es noch, ein einzelnes Blatt Papier aus der Tasche zu zupfen, mit knirschender Strumpfhose aufzustehen, in die Küche zu platzen und der dort allein in voller Montur und perplex wirkenden Mari das Blatt in die Hand zu drücken, aus irgendeinem sonderbaren Überlebensvorrat ein Lächeln hervorzuzaubern und zu sagen: »Wir sehen uns auf dem Fest«, und mich im Rückwärtsgang in den Flur zu verziehen. Schließlich trompetete ich von der Tür aus ein Auf Wiedersehen, rannte die Treppe hinunter, und die ganze Zeit flimmerte in meinem Kopf nur ein einziger Gedanke, die quälende Frage, wieso ich gerade dieses Blatt Papier bei den Jalkanens zurückgelassen hatte, ein Blatt, auf dem lediglich drei in Großbuchstaben geschriebene Fragen standen, drei dämliche, unglaubwürdige und in jeder Hinsicht schwachsinnige Fragen, die Waschmittel, Haushaltspapier und von allen Dingen auf der Welt, Gott bewahre, ausgerechnet Nüsse betrafen.
    Und als ich auf dem Parkplatz dann endlich ins Auto kam, vorbei an dem Assyrer, der dort fröhlich das Starterkabel schwenkte, begriff ich, dass ich wieder einmal etwas durch und durch Falsches getan hatte.
    Was halten Sie von Nüssen?
    Wie soll man diese Frage beantworten? Stimme weitgehend zu?

Ich fuhr ohne Unfall und andere Scherereien zurück, parkte das Auto, stieg in meine Wohnung hinauf und zerschnippelte als Erstes die blöden Zeitungen. Auch das war natürlich blöd, diese ganze Maßnahme, aber was soll’s, etwas musste ich ja tun, weil mir aus allen Fenstern und Spiegeln und Topfdeckeln die Augen der falschen Umfragerin entgegenstarrten. Die Augen der Schwindlerin.
    Draußen prasselte etwas, der Wind, der Regen, ich wusste es nicht, irgendwas. Ich zwang mich, ohne Abendessen schlafen zu gehen. Mein Magen und mein Leben waren gleichermaßen durcheinander.
    Am nächsten Tag plagte mich bereits die Panik. Ich machte mir Sorgen um die Jokipaltios, die Jalkanens und um mich; und dann war da auch noch mein Sohn, der immerhin versprochen hatte, noch mal anzurufen, nach seiner Drohung, wegzugehen, und er hatte nicht angerufen, oder vielleicht doch, alles in allem waren es jedenfalls mehr als genug Fürchterlichkeiten. Ich rief nun ihn an, meinen Sohn, und da passierten dann innerhalb kurzer Zeit zwei merkwürdige Dinge. Zuerst sagte das Telefon, die gewählte Nummer sei derzeit nicht zu erreichen, und als ich es noch einmal versuchte, die Nummer sei nicht vergeben. Und als ich zum dritten und letzten Mal anrief, kam da nur noch ein kurzes nervenschwaches Zilpzalp, das kein bisschen mehr Freude bereitete als die vorherigen Auskünfte.
    Nachdem ich dann eine Zeitlang vor mich hin gezittert und auf die Tagesdämmerungsbrühe des Dezemberanfangs gestarrt hatte, in dem ein paar verlassene Schneeregenfetzen trieben, ging ich dazu über, die Töpfe hin

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