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Der Tag der Traeume

Der Tag der Traeume

Titel: Der Tag der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carly Phillips
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sehen.« Nachdem sie den Kuchenteller in die Küche gebracht hatte, schenkte sie dem Hund die Aufmerksamkeit, um die er bettelte, und kraulte ihn, bis er sich vor Wonne auf den Rücken rollte.
    Er liebte sie bedingungslos und verlangte als Gegenleistung nur, ebenfalls geliebt zu werden. Obwohl sie bis zum gestrigen Abend eine völlig Fremde für ihn gewesen war, vertraute er ihr und war überzeugt, bei ihr ein neues Zuhause gefunden zu haben.
    Und sie würde sein Vertrauen nicht enttäuschen. Warum brachte sie es bloß nicht über sich, genau wie der Hund ihrem Instinkt zu folgen und gleichfalls anderen Menschen zu vertrauen? Wann war ihr Leben nur so kompliziert geworden? Kendall ging mit Happy an ihrer Seite zum Fenster und blickte auf den Hof hinaus, auf das Rasenstück und die Bäume, an die sie sich noch aus ihrer Kindheit erinnerte. Unwillkürlich musste sie an die Teestunden mit Tante Crystal denken. Diese hatte ein paar ausgestopfte Tiere bei sich zu stehen gehabt, und für Kendall waren sie Gäste gewesen, mit denen sie Tee tranken, die ihren Geplapper zu hörten und sie nie unterbrachen.
    Tante Crystal übrigens auch nicht, dachte Kendall lächelnd. Die Erinnerung schmerzte nicht mehr, sondern tröstete sie irgendwie. Sie zog Happy an sich. Mit einem Mal kannte sie die Antwort auf die Frage, die sie sich einige Minuten zuvor gestellt hatte. Kendall konnte niemandem so blind vertrauen, wie Happy es tat, weil sie kein Hund war, sondern ein Mensch. In ihrem Gedächtnis waren Erinnerungen gespeichert, gute und schlechte, und diese Erinnerungen hatten sie zu der Frau gemacht, die sie heute war. Einem von Misstrauen zerfressenem Menschen, der unfähig war, echte Gefühle zu entwickeln, dachte sie traurig.
    Sogar Rick, der schon eine bittere Erfahrung hinter sich hatte, hatte es gewagt, ihr sein Herz zu öffnen. Und sie hatte die Liebe und den Respekt, die er ihr entgegenbrachte, bedenkenlos mit Füßen getreten.
    Du bist bindungsunfähig; nicht bereit, dich mit deinen Ängsten auseinander zu setzen, hatte er gesagt. Ich bin enttäuscht von dir.
    Seine Worte hatten sie getroffen wie ein Schlag, vorhin und auch jetzt. Genau so hatte sich Kendall gefühlt, als Tante Crystal ihr eröffnen musste, dass sie nicht länger bei ihr in Yorkshire Falls bleiben konnte. Und als ihre Eltern sie ein zweites Mal allein zurückgelassen, Hannah in ein Internat gesteckt hatten und in irgendeinen abgelegenen Winkel der Erde gereist waren. Kendall schlang die Arme um den Oberkörper, während sie versuchte, den Schmerz zu überwinden, den diese Gedanken wieder in ihr aufleben ließen.
    Rick hatte Recht. Sie war unfähig, echtes Vertrauen in andere Menschen zu setzen, weil sie sich nie ihren geheimen Ängsten gestellt hatte. Sie hatte ihre Vergangenheit nie richtig verarbeitet, aber der Anfang dazu war jetzt gemacht. Weil sie Rick bereits verloren hatte, kurz davor stand, Hannah gleichfalls zu verlieren und weil sie – hoffentlich nicht zu spät – erkannt hatte, dass sie nicht länger allein sein wollte.
    Die Widersprüchlichkeit, die in dieser Erkenntnis lag entging ihr nicht. Sie war genau vor dem Leben fortgelaufen, nach dem sie sich insgeheim immer gesehnt hatte. Das kleine Mädchen, das mit ausgestopften Tieren Tee trank, hatte unbewusst davon geträumt, eines Tages eine eigene Familie zu haben. Menschen, die sie liebten; Menschen, die in guten wie in schlechten Zeiten zu ihr standen.
    Aber da ihre Eltern in der prägenden Phase ihrer Kindheit nicht für sie da gewesen waren und Tante Crystal sie nach einem Sommer wieder hatte fortschicken müssen, hatte Kendall sich immer mehr in sich selbst zurückgezogen, um sich weitere Enttäuschungen und Zurückweisungen zu ersparen. Als sie achtzehn war und ihre Eltern erneut auf Reisen gingen, redete sie sich bewusst ein, sich innerlich bereits so sehr von ihnen gelöst zu haben, dass es ihr egal war, was sie taten, ob sie blieben oder gingen. Aber sie hatte sich etwas vorgemacht, wie sie jetzt klar und deutlich erkannte.
    Seine Eltern zu verlieren – egal auf welche Weise und in welchem Alter – schlug tiefe, nie ganz verheilende Wunden in die Seele eines Menschen. Kendall hatte ihre Eltern gleich zwei Mal verloren, weil diese ihre eigenen Interessen über die ihrer Kinder gestellt hatten, und dieser Verlust hatte verheerende Auswirkungen auf ihre Psyche gehabt. Deswegen hatte sie einen so dicken Panzer um ihr Herz gelegt, dass es sie selbst wunderte, wie Rick ihn hatte durchbrechen

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