Der Tag Des Falken
Damit sind meine Spanischkenntnisse so ziemlich erschöpft, Sir. Sie müssen Coronel Salazar sein. Ich bin Hauptmann Viktor Pawlowitsch Tscharbakow.«
Nach einer langen Pause ergriff Salazar die hingestreckte Hand. Er studierte den Blick des Mannes, seine Uniform, sein Benehmen. Er musterte das Pistolenhalfter an der Überlebensweste des Piloten, das europäisch, sogar amerikanisch, aber keineswegs russisch aussah. »Sie sind Pilot der sowjetischen Luftwaffe, Hauptmann Tscharbakow? Bei welcher Einheit?«
»Tut mir leid, das darf ich Ihnen nicht sagen, Sir«, antwortete Powell.
»Ich bin als Berater zur kubanischen Revolutionsluftwaffe abkommandiert. Weitere Auskünfte darf ich Ihnen nicht geben.«
»Sie fliegen einen russischen Jäger, aber Sie tragen keine russische Kombi und keinen russischen Helm. Äußerst ungewöhnlich. Wir werden Sie und Ihr Besatzungsmitglied festhalten müssen, bis Ihre Identität zweifelsfrei geklärt ist.«
»Das ist nicht sehr gastfreundlich, Coronel.«
»Sie sind hier auf meinem Stützpunkt. Hier bestimme ich!«
Powell zuckte mit den Schultern und drehte sich zu McLa-nahan in der Suchoi um, dessen Uzi weiter auf Salazar gerichtet war. »Ganz wie Sie meinen, Coronel. Tun Sie, was Sie für richtig halten. Aber falls Boris dort drüben nicht innerhalb von fünf Minuten über Funk bestätigt, daß hier alles in Ordnung ist, macht sich meine Staffel auf die Suche nach uns. In Santa Clara sind bereits mein Rottenflieger mit einer Su-27, zwei Bomber Su-24 und drei Kampfhubschrauber mit Schocktruppen gestartet.« Der Pilot verschränkte lässig die Arme. »Ihre Leute sind gut, Coronel, sehr gut. Aber wollen Sie's wirklich mit den Einundfünfzigsten Schocktruppen und meiner Staffel aufnehmen?«
Bei der letzten Frage kniff Salazar unbehaglich die Augen zusammen.
Natürlich kannte er die Einundfünfzigsten Schocktruppen: eine im Raum Havanna stationierte Eliteeinheit der russischen Marineinfanterie.
Und er kannte ihren Ruf als schlagkräftigste, am besten ausgebildete und am besten bewaffnete Truppe der Welt, die seinen Stützpunkt mit geschlossenen Augen hätte erobern können.
Als der russische Pilot merkte, daß Salazar die ihm drohende Gefahr richtig einschätzte, legte er ihm freundschaftlich einen Arm um die Schultern, drehte ihn um und führte ihn zu seinem Jeep zurück. »Ich wäre Ihnen dankbar, Coronel, wenn Sie diese Jeeps von der Landebahn und meinem Flugzeug wegfahren lassen würden. Außerdem wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir ein paar tausend Liter Treibstoff verkaufen würden - natürlich zu einem von Ihnen festgelegten Preis.
Danach würde ich mir gern Ihren imponierenden Stützpunkt ansehen.
Als Gegenleistung zeige ich Ihnen die Su-27 und diskutiere mit Ihren Piloten über unseren Luftkampf von vorhin. Und ich vertraue darauf, daß es keinen Anlaß mehr zu Mißtrauen und Verdächtigungen gibt.«
Salazar schluckte trocken. »Gewiß, Hauptmann. Aber laden Sie Ihr Besatzungsmitglied ein, ebenfalls mitzukommen.«
»Leider hat er andere Aufgaben. Er bleibt in der Maschine. Außerdem hätte er ohnehin nicht viel von unserer Diskussion unter Piloten.«
»Wie kommt das?«
»Er begleitet mich als Sicherheitsoffizier«, sagte Powell. »Er hat dafür zu sorgen, daß sein Flugzeug nicht in falsche Hände gerät. Er kann seine Maschinenpistole, die Funkgeräte und den Schleudersitz bedienen -
sonst nichts. Wenn er mich unterwegs in Verdacht hätte, desertieren zu wollen, würde er mich erschießen und mit dem Schleudersitz aussteigen.
Falls sich einer Ihrer Leute dem Flugzeug nähert, hält er ihn lange genug ab, um den Zerstörungsmechanismus auszulösen. Beim nachfolgenden Angriff würde unsere Marineinfanterie Ihren Stützpunkt zerstören.« Powell lächelte schwach. »Ich kann mich von der Maschine entfernen, Coronel, aber ich hänge sozusagen an der Leine. Und jetzt umgibt diese Leine auch Sie und Ihre Leute. Deshalb schlage ich vor, daß Sie tun, was ich sage.«
Salazar nickte, denn er kannte die Russen und ihre Geheim-
haltungsmethoden noch aus der Zeit vor seiner Flucht ins Exil. Trotz Glasnost und Perestroijka war die alte Garde noch keineswegs entmachtet - vor allem nicht auf Kuba. Die sowjetische Luftwaffe würde niemals zulassen, daß ein hochmodernes Flugzeug wie die Su-27
in feindliche Hände geriet. Eher würde sie die Maschine und alles um sie herum in die Luft jagen.
Der ehemalige kubanische Offizier drehte sich um und gab den Fahrern der Jeeps, die
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