Der Tag Des Falken
an eine Computertastatur gewöhnt waren, neigten Dinge auf dem Bildschirm dazu, spurlos und für immer zu verschwinden. Deshalb hatte er seinen Computer auf einen kleinen Tisch in einer Ecke des Dienstzimmers verbannt und behielt die zuverlässige alte Selectric auf dem Schreibmaschinentisch neben seinem Platz.
Die Methode, wie der Admiral mühsam suchend und mit zwei Fingern seinen Bericht tippte, wäre Fregattenkapitän Michael Becker, Hardcastles Adjutanten, normalerweise komisch vorgekommen - wenn es nicht schon weit nach einundzwanzig Uhr gewesen wäre. Becker, der mit Hornbrille und Krawatte - im feuchtheißen Miami ein seltener Anblick - eher wie ein junger Leutnant als wie ein erfahrener Skipper und Stationskommandant aussah, litt unter der stockenden Tipperei seines Chefs. Wie eine chinesische Wasserfolter, dachte er.
Schließlich konnte er's nicht länger aushallen. »Admiral, ich würde Ihnen diese Arbeit gern abnehmen...«
»Das haben Sie mir bereits angeboten, Mike. Sie wissen genau, wie ungern ich diktiere. Und Sie könnten meine Notizen ohnehin nicht lesen. Nein, diese Arbeit kann mir niemand abnehmen. Warum fahren Sie nicht schon nach Hause?«
»Ich weiß, daß der Bericht dringend fertig werden muß«, sagte Becker, »und möchte Ihnen helfen...«
»Dann halten Sie die Klappe, damit ich arbeiten kann.«
Becker nickte und sank auf seinen Stuhl zurück.
»Hat General Brad Elliott schon telefoniert, um seine An-
kunftszeit zu bestätigen?« fragte Hardcastle, während er mit zwei Fingern weitertippte. »Wir brauchen sein Gerät für die Vorführung am Wochenende. Er muß wissen, wie wichtig das Engagement seiner Organisation ist.«
»Das weiß er, Admiral. Er hat aus Fort Lauderdale angerufen. Dort ist er heute nachmittag mit seinem Projektoffizier angekommen. Ich habe gleich danach mit ihm gesprochen...«
»Er ist schon hier?«
»Ich wollte Sie nicht stören, weil Sie beschäftigt waren. Er steht Ihnen zur Verfügung, sobald Sie Zeit haben. Jedenfalls ist er startbereit.«
»Was für ein Typ ist dieser Elliott?«
»Ende Fünfzig, schlank, durchtrainiert. Äußerlich ganz der große Fliegerheld. Aber er wird Ihnen gefallen. Er gilt als sehr selbständig.
Sein Projektoffizier scheint recht jung zu sein -höchstens dreißig.«
Hardcastle sah von der Arbeit auf. »Wie ich höre, ist Elliott ein Mann mit Ideen... Das ist gut für uns.«
»Außerdem trägt er links eine Oberschenkelprothese. Haben Sie das gewußt?«
Hardcastle schüttelte den Kopf.
»Trotzdem ist er voll fliegertauglich. Ich habe mich danach erkundigt.
Er hat die V-22 selbst hergeflogen und sauber auf Go rilla One gelandet.«
»Wissen Sie auch, wie er das Bein verloren hat?«
»Das ist nicht rauszukriegen«, sagte Becker. »Es wird vom Pentagon bis Nevada streng geheimgehalten.«
»Je mehr ich über ihn höre, desto interessanter kommt er mir vor.«
Hardcastle sah zu einem an der Wand hängenden, gerahmten Foto, das ein seltsames Flugzeug zeigte - eine Art Transporter mit Hubschrauberrotoren an den Enden verhältnismäßig kurzer Flügel.
»Wie sieht die Sea Lion aus?«
»Eindrucksvoll! Sie sollen gleich morgen früh mitfliegen. Machen Sie sich auf eine Überraschung gefaßt.«
»Dann muß ich zusehen, daß dieser Bericht fertig wird... Was ist übrigens mit den Drohnen? Sind alle startklar?«
»Nach Auskunft von Elliotts Projektoffizier, einem Major
McLanahan, sind die Muster Seagull und Sky Lion startklar«, meldete Becker. »Die Sky Lion ist mit allem Zubehör auf Gorilla One stationiert.
Die Seagull startet vom Flughafen Marathon aus, weil die Zeit nicht für den Aufbau ihrer Startrampe auf der Plattform gereicht hätte.«
»Ohnehin erstaunlich, was diese Leute in so kurzer Zeit geschafft haben«, meinte Hardcastle. »Es hat sich echt gelohnt, sich nicht abwimmeln zu lassen, bis erreicht war, daß dieses geheimnisvolle HAWC uns unterstützen durfte. Die Air Force hält seine Existenz so streng geheim, daß mich wundert, daß wir überhaupt was gekriegt haben.«
Becker stand auf und wartete, bis Hardcastle das nächste Blatt aus der alten Selectric gezogen hatte. »Vierhundertneunzehn Seiten. Sind Sie bald fertig, Sir? Das bedeutet einen neuen Welt rekord.«
»Höchstens vierhundertfünfzig«, sagte Hardcastle und rieb sich die Augen. »Plus Abbildungen, Kartenteil und Register.«
»Vierhundertfünfzig Seiten! Da wird ATLANTCOM ganz schön sauer sein.« ATLANTCOM, Admiral Cronins Dienststelle, hatte
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