Der Tag des Königs
Du hast recht. Was soll ich sonst noch sagen?«
»Nichts. Das genügt.«
»Ich werde immer an dich denken. Vor allem nächste Woche beim König.«
»Nein, bitte, nicht beim König. Er macht mir Angst. Von dir weià ich, dass du keine Angst vor ihm hast. Ich schon. Wenn du also an seinen Hof kommst, vergiss mich, verbanne mich aus deinem Kopf und selbst aus deinem Herzen. Durchlebe diesen Augenblick weit weg von mir. Nächste Woche wird für mich alles anders sein. Alles wird anders. Nächste Woche werde ich wie mein Vater sein. Am Boden.«
»Du drückst dich immer seltsamer aus, Omar. Vergiss Hassan II .«
»Ich sehe, dass du nichts verstanden hast.«
»Er ist dermaÃen weit von dir weg.«
»Das ist wahr. Und gleichzeitig ist es auch nicht wahr.«
»Er ist abstrakt.«
»Nächste Woche wird er konkret für dich sein, Khalid.«â
»Ist das denn so wichtig, im Grunde?«
»Für mich schon. Für dich wird sich nichts ändern. Für dich steht schon alles geschrieben, wundervoll schön geschrieben.«
»WeiÃt du, ich bin kein Idiot. Ich werde dir helfen, Omar .â.â. später. Du wirst nicht weit weg sein. Ich werde dich nicht vergessen. Ich werde dir helfen. Ich werde dir helfen.«
»Du hast nichts verstanden, Khalid.«
»Dann erkläre es mir!«
»Ich habe gehört, dass Hassan II . ständig Hexenmeister um sich hat, die ihn beschützen.«
»Wovor?«
»Vor dem bösen Auge, vor den anderen Hexenmeistern, die ihn nicht mögen, vor Mördern, vor Verschwörern, vor Militärs, die ihn hassen.«
»Ja und?«
»Das ist das Einzige, von dem ich mir wünsche, dass du es nächste Woche für mich überprüfst, wenn du am Hof des Königs bist. Ãberprüfe, ob die Hexenmeister ihn tatsächlich andauernd umgeben. Ehrenwort?«
»Wenn du willst .â.â.«
»Ehrenwort, Khalid?«
»Ehrenwort. Man könnte meinen, die Rollen seien seit heute vertauscht. Von uns beiden bist du der Seltsamere.«â
»Ich bin nicht seltsam. Ich könnte losheulen.«
»Dann heule.«
»Wenn ich losheule, bin ich noch einsamer, noch isolierter.«
»Was kann ich tun, um dir zu helfen, Omar?«
»Zieh dich aus, und zwar ganz.«
Wir waren allein auf der Welt. Der Wald hatte uns von allem entfernt und mehr oder weniger von allem befreit. Wir waren nackt. Wir hatten schnell unsere Kleider abgestreift. Ich kannte Khalids Körper sehr gut. Er kannte meinen in jeder Einzelheit. In dieser Hinsicht gab es zwischen uns nicht die geringste Befangenheit. Ich spielte nicht den Schüchternen. Er genauso wenig. Zwischen uns würde nun ein anderes Spiel beginnen. Es war aber nicht wirklich ein Spiel. Uns wurde schnell klar, dass die Spiele im Wald nicht denselben Sinn und auch nicht denselben Reiz hatten wie anderswo.
Â
»Ich habe eine Idee, Khalid.«
»Lass hören.«
»Lach mich nicht aus.«
»Ich lache nicht, Omar. Ich lache nicht mehr.«
»Es ist eine ziemlich verrückte Idee.«
»Sag schon. Ich werde nicht lachen. Schieà los.«
»Wie wäre es, wenn wir unsere Namen austauschen würden? Ich meine, unsere Vornamen austauschen, nur unsere Vornamen.«
»Ab sofort bin ich Omar an deiner Stelle. Und du bist Khalid an meiner Stelle. Richtig?«
»Ja, richtig. Genau. Wir schlüpfen aus unserer Haut.«
»Ist das alles?«
»Das ist doch schon mal nicht schlecht. Findest du nicht?«
»Du hast mich missverstanden, Omar. Ich meine, tauschen wir auch unseren Charakter, unsere Familie, unsere Liebe aus?«
»Nein, nein, nur unsere Vornamen. Ich werde Khalid sein.«
»Gefällt dir Khalid?«
»Das ist ein schöner Vorname. Gefällt dir Omar?«
»Ich kenne auÃer dir niemanden mit diesem Vornamen.«
»Wirklich?«
»Ich schwöre es.«
»Danke.«
»Ab sofort bin ich Omar.«
»Ich schenke ihn dir.«
»Ich bin nackt.«
»Ich bin auch nackt.«
»Wir schlieÃen die Augen.«
»Wir schlieÃen die Augen zehn Sekunden. Danach werden wir beide jeweils der andere sein. Ich werde du. DU wirst ich.«
»Warte, Omar, warte. Ich sage dir, wie wir vorgehen. Wir schlieÃen die Augen. Wir warten ein bisschen. Dann gehen wir mit noch immer fest zugekniffenen Augen aufeinander zu. Wir suchen uns. Wir finden uns. Wir
Weitere Kostenlose Bücher