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Der Tag des Königs

Der Tag des Königs

Titel: Der Tag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdellah Taïa
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Gelegenheit, ihn zu treffen. Und ihm sogar die Hand zu küssen.«
    Â»Meinst du, ich werde ihn darum wirklich kennen?«
    Â»Du bist intelligent, Khalid. Du wirst erraten können, was er verheimlicht. Du wirst ihm manche seiner Geheimnisse rauben. Und sie mir erzählen.«
    Â»Ich werde vor allem Angst bekommen, wenn ich vor ihm stehe. Ich glaube, ich werde nicht einmal wagen, ihn anzublicken.«
    Â»Du bist reich. Er ist reich. Du wirst ihn anblicken. Du wirst keine Angst haben. Da bin ich mir sicher.«
    Â»Er ist der König. Der König. Das hast du wohl vergessen.«
    Â»Der König, ja. Das habe ich nicht vergessen. Aber ich kenne ihn nicht. Ich kenne von ihm nur das, was man uns von ihm zeigen will. Ein Bild.«
    Â»Ein Bild.«
    Â»Der Vater. Betrachtest du ihn als deinen Vater, Hassan II .?«
    Â»Du weißt doch, dass ich ihm nächste Woche die Hände küssen werde.«
    Â»Du hast keine andere Wahl.«
    Â»Was willst du eigentlich, Omar? Worauf willst du hinaus mit dieser verschwörerischen Diskussion?«
    Â»Hast du Angst?«
    Â»Nein. Ich bin Khalid, der Sohn von Hamid El-Roule.«
    Â»Du meinst, dass dir selbst der Wald, in dem wir uns jetzt befinden, keine Angst macht?«
    Â»Doch, ein bisschen. Ich habe gesagt, ich hätte vor Hassan II . Angst. Habe ich aber nicht. Ich habe Angst, ihm gegenüberzustehen. Das ist etwas anderes.«
    Â»Das ist der große Unterschied zwischen uns.«
    Â»Was soll das heißen?«
    Â»Ich bin eifersüchtig.«
    Â»Eifersüchtig?«
    Â»Nein, nein, nicht eifersüchtig. Ganz falsch. Wütend. Ich bin wütend.«
    Â»Wütend, hier, jetzt?«
    Â»Wütend seit gestern in der Schule. Und wütend, seit wir in diesem Wald angelangt sind.«
    Â»Wütend auf mich?«
    Â»Ja.«
    Â»Gefällt es dir hier nicht? Willst du wieder zurück und am Straßenrand auf Hassan II . warten?«
    Â»Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du mir nichts gesagt hast.«
    Â»Wegen des Königs? Ich kenne ihn auch nicht besser als du.«
    Â»Du hattest mir nichts über deine Einladung in den königlichen Palast gesagt. Ich habe es wie alle aus dem Mund dieses ekelhaften Typen von Schuldirektor erfahren. Wie jeder x-Beliebige. Ich war jeder x-Beliebige. Ich dachte, ich sei etwas Besonderes in dieser Freundschaft mit dir. Etwas Besonderes durch diese Freundschaft, durch diese Beziehung. Durch diese Verbindung unserer Körper. Ich habe mich offensichtlich getäuscht. Mit deinem Schweigen hast du mich an meinen Platz zurückverwiesen. Nicht nur bist du offiziell der beste Schüler, sondern zudem durfte ich es nicht vor den anderen erfahren.«
    Â»Du kennst mich doch, Omar, ich bin ein bisschen abergläubisch, ein bisschen seltsam.«
    Â»Auch nicht mehr als ich.«
    Â»Quatsch, viel mehr als du.«
    Â»Ich bin nicht dein Spielzeug. Lass mich wenigstens mein Herz ausschütten. Meiner Verbitterung und meiner Wut Luft machen.«
    Â»Das verstehe ich nicht.«
    Â»Ich verstehe dich, Khalid. Ich verstehe, was dich dazu verleitet hat, mir nichts zu sagen. Es waren weder deine Angst noch dein Aberglaube. Es war . . . Es ist . . . Von Anfang an bist du nicht da, mit uns zusammen, mit mir zusammen. In dieser Welt. Meiner Welt. Ich habe geglaubt, ich wäre mit dir zusammen, wirklich mit dir. Ich habe geglaubt, du wärest mit mir zusammen, wirklich mit mir. Ich habe dir alles erzählt. Ich habe dir alles gesagt. Unter anderem, um dir zu gefallen, das gebe ich zu. Ich habe geglaubt, mit mir würdest du es genauso halten. Nicht nur
mir alles erzählen. Ich erhoffte mir mehr. Das vollkommene Vertrauen. Hingabe. Immerhin haben wir doch alles zusammen erlebt, seit wir uns kennen. Sex, Träume, verbotene Filme, Hexer, den Strand von Salé im Winter, billigen Wein aus grünen Plastikflaschen. Alles . . . Alles . . . Alles bis gestern, dem letzten Schultag, dem letzten Tag in derselben Schule. Das Ende, Khalid, hast du verpatzt, du hast es durch dein Geheimnis versaut. Dein bescheuertes königliches Geheimnis. Du hast mich ignoriert, vergessen, kaltgestellt. Getötet. Du hast mich nicht einmal angeschaut, Khalid, du hast nicht einmal versucht, mich mit deinen Augen mitzunehmen. Nein. In deinem Ruhm bist du ganz allein geblieben. Ganz allein in deiner Sternstunde. Egoistisch. Egoistisch. Du warst egoistisch, Khalid. Und ich war

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