Der Tag des Königs
und?«
»Zu sauber.«
»Ist deine nicht sauber?«
»Weià ich nicht. Weià ich nicht mehr. Meine Mutter ist schon lange weg.«
»Das macht nichts, Omar.«
»Meine Unterhose hat Löcher.«
»Was soll's.«
»Aber .â.â.«
»Aber was, Omar?«
»Bekomme ich sie für immer? Ich will deine Unterhose für immer behalten.«
»Du kannst sie für immer behalten. Tauschen wir also.«â
»Mit deiner Unterhose werde ich Khalid der Blaue sein.«â
»Und ich Omar der Rote.«
»Los, los, schnell, schnell, zieh deine Unterhose aus. Voller Löcher .â.â.«
»Schon wieder Spott.«
»Ich verspotte dich nicht. Ich habe nichts gegen löchrige Unterhosen.«
»Hör auf. Hör auf .â.â.«
»Ganz ehrlich, mir gefällt deine Unterhose. Sie ist löchrig und ein bisschen .â.â.«
»Hör auf, gleich werde ich schüchtern wegen dir.«
»Omar, schüchtern? Mach keine Witze!«
»Du hast recht. Die Zeit der Schüchternheit ist vorbei. Jetzt ist Krieg.«
»Krieg der Unterhosen.«
»Blau gegen Rot.«
»Du meinst: die löchrige gegen die saubere Unterhose.«â
»Ich bringe dich um, Khalid.«
»Zieh zuerst deine Unterhose aus. Sie gehört schon längst mir.«
»Nein.«
»Wird's bald, stell dich nicht an wie ein Kind.«
»Nein.«
»Und auch nicht wie ein kleines Mädchen.«
»Nein ist nein.«
»Omar!«
»Nein!«
»Stell dir vor, ich weià alles über dich.«
»Nein. Ich bin beleidigt.«
»Im Ernst?«
»Im Ernst.«
»Mir bleibt nur eine Lösung, damit du dich nicht so zierst. Ich opfere mich. Jawohl .â.â. Jawohl .â.â. Schau mal. Sieh mich an. Ich werde als Erster die Unterhose ausziehen. Schau mal.«
»Ich schaue ja. Mach weiter.«
»Hier, nimm sie. Jetzt bist du dran.«
»Sieh mich an.«
»Ich bin mit dir zusammen.«
Unterhalb der Felswand befand sich die Gago-Fabrik, die rote Ziegelsteine herstellte. Es war eine Fabrik unter freiem Himmel. Alle Maschinen, gigantisch, ungeheuer, waren gut sichtbar, defekt und verrostet. Vergessen. Manche dienten Störchen als Nester. Andere lagen zertrümmert am Boden. Gago, wo einer meiner Onkel eine Zeitlang gearbeitet hatte, sah von oben aus wie ein Schlachtfeld. Ein geheimer Krieg hatte hier stattgefunden, auf diesem Gelände, das am FuÃe der Felswand begann und etwas weiter am Ufer des Bou-Regreg-Flusses endete. Etliche unbekannte Tote ruhten sicherlich noch hier, unter dieser Erde, doch ohne Grab. Sie waren gefoltert worden. Man hatte sie jeglichen Lichtes beraubt. Sie sich selbst beraubt. Auf kleiner Flamme gemartert.
Wer waren sie? Helden? Auf ewig vergessene Helden? Wie hieÃen sie? Welche Verbrechen hatten sie begangen? Gegen wen wollten sie sich auflehnen? Gegen die offiziellen Machthaber? Gegen den Vater? Gegen Hassan II .? Gegen die Geschichte?
Hoch über dieser Stille, über der Welt, über zwei verfeindeten Städten, Rabat und Salé, und ein paar rätselhaften Ruinen, hingen Khalid und ich, jeder für sich, unseren Träumen nach. Der Mamora-Wald lag nun direkt hinter uns. Wir kehrten zur Zivilisation zurück. Nach einer gewissen Zeit war ich es, der das Wort ergriff, um Khalid wieder zu mir zurückzuholen, zu uns beiden in Unterhosen, der eine jeweils in der Unterhose des anderen. Ich vertraute ihm meine zugleich morbide und realistische Vision an. Einen weiteren Alptraum. Am helllichten Tag.ââ
»Gehen wir weg von hier!«
»Man könnte meinen, du hättest Angst, Omar.«
»Diese Fabrik ist ein Friedhof. Ich spüre es. Ich sehe es. Ich bin mir sicher.«
»Ich sehe kein einziges Grab.«
»Ich schon.«
»Im Ernst?«
»Unter den verrosteten Maschinen sind Tote. Tote aus längst vergangenen Zeiten. Hingeschlachtete Menschen. Ein Gemetzel. Unschuldige Tote.«
»Aus unserem Jahrhundert? Aus einem anderen Jahrhundert?«
»Mein Vater .â.â. Mein Vater ist unter ihnen. Er trägt die weiÃe Dschellaba seines Hochzeitstages. Doch meine Mutter ist nicht bei ihm.«
»Ist sie nicht tot?«
»Sie ist tot. Sie ist tot. Sie liegt auf einem anderen Friedhof begraben. Ich sehe sie nicht. Ich will nicht über sie reden. Ich verleugne sie. Ich enterbe sie. Ich bespucke sie.«
»Sie ist deine
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