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Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Titel: Der Tag ist hell, ich schreibe dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Moderatoren vorgestellt, wobei Julius Turnseck als besonderer Gast angekündigt und dabei betont wurde, dass Bankiers sich sonst eher diskret zur Öffentlichkeit verhielten. Dann wurden die Teilnehmer einzeln befragt und angehört. Sie hatten alle ein Kärtchen in der Hand und hielten sich sehr gerade auf ihren Stühlen und sprachen in wohlsortierten ganzen Sätzen. Wir waren bescheiden und fleißig damals, heute sind alle Schmarotzer und Drückeberger und liegen in der sozialen Hängematte, so etwa kam der Subtext zu mir herüber, nicht anders als erwartet, nur feiner ausgedrückt natürlich, und ich kritzelte mir meine Fragen auf einen Zettel.
    » Wir müssen zurück zu Dynamik, Flexibilität und Optimismus der Fünfzigerjahre«, sagte der Unternehmer mit der blonden Haartolle und streckte das Kinn herausfordernd nach oben ( Rock ’n’ Roll und Vespa fahren ).
    » Die Menschen im Land müssen ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen«, pflichtete ihm der zweite Unternehmer bei, eine leicht untersetzte Gestalt mit ausladendem Lächeln ( Wir Unternehmer wollen weniger Sozialabgaben zahlen ).
    » Wir müssen unbedingt den Strom der Ausländer stoppen, ganz besonders in Berlin«, sagte der Sozialbeauftragte des Berliner Senats von der CDU ( Ich bin doch nicht der Türkenbeauftragte – oder? ).
    » Diese Art Ausländerfeindlichkeit kann sich unser Land nicht leisten«, sagte, sich locker vorbeugend, der Bankier. » Das ist überhaupt nicht unser Problem. Unser Problem ist, dass wir ein enormes Leistungsdefizit haben und unser Wirtschaftswachstum um fünf Prozent steigern müssen, um die bis 1990 zu erwartenden zwei Millionen Arbeitslosen zu verhindern.«
    Alle sahen ihn entsetzt an. Julius Turnseck hatte kein Kärtchen in der Hand. Er sprach gewissermaßen aus der Hüfte. Er hörte mit leicht amüsiertem, fast trotzigem Gesichtsausdruck zu, drehte sich in seinem Drehstuhl hin und her, hatte die Beine überschlagen, nahm sie wieder auseinander, verschränkte die Arme vor der Brust und guckte so ungeduldig, als wollte er sagen: Nun kommt mal auf den Punkt, Jungs.
    » Die Lohnquote ist seit dem Energieschock in den Siebzigern gestiegen«, sagte der blonde Unternehmer und reckte erneut das Kinn.
    » Ja, ist sie das wirklich?«, platzte Julius dazwischen und zog die Augenbrauen hoch. Er hatte gut geschnittenes braunes Haar, ein weißes Tuch in der Jacketttasche und trug als Einziger auch eine Weste.
    » Entschuldigung«, korrigierte sich der Unternehmer, » ich meine die Summe der Löhne und Lohnkosten.«
    » Trotzdem«, gab der besonnene Gewerkschaftler mit ostpreußisch rollendem Zungenschlag zu bedenken, » ist der Lohnanstieg in Deutschland weit hinter dem Durchschnitt der anderen westeuropäischen Länder zurückgeblieben.«
    » Die Lohnquote ist gestiegen, schön und gut«, setzte Julius beharrlich an und beugte sich nach vorn, » aber unser wahres Problem ist, wie gesagt, das Leistungsbilanzdefizit. Man muss doch immer fragen, wo das Problem liegt und warum etwas so ist, wie es ist. Und die erste Feststellung lautet: Wir geben mehr aus, als wir uns leisten können! Wir leben über unsere Verhältnisse! Wir machen Schulden! Das ist unser Problem!«
    » Wir wollen dies später als einen eigenen Punkt besprechen«, versuchte der Moderator ihn zu bremsen, was ihm zunächst noch gelang. Allerdings nicht sehr lange. Julius Turnseck setzte erneut an, die anderen Herren wurden zusehends unruhiger. Ich bekam vor Aufregung Durst und einen heißen Kopf. Die Debatte verlagerte sich, wie zu befürchten stand, auf die fünf Millionen Ausländer in unserem Land, und ob es denn möglich wäre, deutsche Arbeitslose an ihre Plätze zu setzen, und ob nicht eine » humane Rückführung«, wie der Sozialbeauftragte aus Berlin es nannte und sich vermutlich unwahrscheinlich moderat vorkam, in ihre Heimatländer denkbar wäre und dass man » ihren Strom doch unbedingt eindämmen« müsse, und mir kam schon die Galle hoch.
    » So ein ausgemachter Quatsch!«, sagte zu aller Überraschung Julius Turnseck, der Bankier. Er sagte tatsächlich » Quatsch«, das sagte damals niemand im Fernsehen, nicht in einer seriösen Sendung jedenfalls, und er wiederholte das Wort sogar noch einmal.
    » Das alles ist kein Problem«, erklärte er der verdutzten Runde, » einzig und allein unser Leistungsdefizit! Das können wir mit den Ausländern, die im Übrigen sowieso schon lange keine mehr sind, zusammen beheben. Und wie gesagt, diese Art von

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