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Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Titel: Der Tag ist hell, ich schreibe dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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eigenen Lebensgrundlagen nehmen wird. Dass Wachstum Grenzen hat. Bis zur Jahrtausendwende sind es noch genau achtzehn Jahre, meine Herren.«
    » Sie wählen bestimmt die Grünen«, unterbrach mich einer der Herren, » falls Sie überhaupt schon wählen dürfen.«
    » Richtig«, sagte ich, » und Sie wählen sicher die CDU , falls Sie schon für sich selbst entscheiden können.«
    Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich vollkommen sicher. Ich hörte mich reden und vergaß es zugleich, es war nicht anders als in der Schule, wenn mich ein Gedanke erfasste und berauschte und ich ihm einfach hinterherraste. Die Herren kicherten wieder. Der Bankier sah mich entzückt an. Du, mein lieber Julius, sahst mich an. Du, der du noch der Bankier für mich warst. Und ich fühlte, dass ich schon wieder rot wurde.
    » Lassen Sie mal«, sagte er in die Runde, und dann zu mir: » Ich finde es sehr interessant, was Sie zu sagen haben, außerordentlich. Möchten Sie nicht noch etwas essen oder trinken?«, fragte er und sah sich nach jemandem um, der mir etwas holen würde.
    » Gern«, sagte ich unerwartet artig.
    » Und was sagen Sie?«, fragte der Bankier Klaus.
    Klaus räusperte sich und sagte auch etwas, über klassische Marktwirtschaft und die Eigengesetzlichkeit des Marktes und so weiter, aber ich hörte nur mit einem halben Ohr hin, denn ich war innerlich noch mit meinem Rede- und Gedankenschwall beschäftigt, und gleichzeitig hing ich an den hellgrauen Augen, die mich immer wieder so ausgesprochen freundlich ansahen. Dass ein so alter Mann so ein Feuer haben kann, dachte ich. Ich hatte überhaupt keinen Hunger mehr. Nur Durst. Ich war völlig aus der Fassung. Dieser intelligente und einflussreiche Mann brachte meine Anschauungen über das Alter und über gewisse Berufsgruppen, die mir bis dahin als vollkommen uninteressant und langweilig erschienen waren, ins Wanken. Er war mindestens Mitte vierzig und hatte ein überaus charmantes Lächeln und helle, offensichtlich empfindliche Haut, und vor allem und obendrein fand er meine Ansichten sehr interessant! Ich war neunzehn. Und ein Küchenkind.
    Ich stürzte das Wasser hinunter und hörte, wie die anderen Herren wieder ihr Recht auf Unterhaltung forderten und Klaus unterbrachen und von der Stärkung der D-Mark und der Wiederherstellung der Vollbeschäftigung redeten, als hätten sie gar nicht gehört, was ich gerade gesagt hatte. Ich wurde wütend. Nicht agitieren, hörte ich Mama, ganz ruhig bleiben, aber der Bankier sah mich wieder auf diese Weise, der ich nicht widerstehen konnte, an und lachte: » Ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass Sie damit einverstanden sind!«
    Da war es aus mit Deeskalation und vornehmer und von Mama eingebläuter Zurückhaltung. Der Blick dieses Mannes, seine Aufforderung, öffnete, was über siebenhundert Silbertabletts mit Kanapees und Sektgläsern unterdrückt worden war, Mama zuliebe, Mata Hari zuliebe, und ich sprudelte wie ein Wasserfall mit immer heißerem Kopf und sagte, was ich zu sagen hatte, über eine Gesellschaft, in der es für alle ein Grundeinkommen geben würde und müsste, in der Sozialleistungen selbstverständlich wären, Erwachsenenbildung niemals endete und die Umwelt geschützt würde und alles, was die Wissenschaft herausfinden würde, nicht erst mit zwanzigjähriger Verspätung ernst genommen würde, wenn alles den Bach runter und das Kind in den Brunnen gefallen ist. Ich sonderte noch einen Haufen Zahlen ab, die ich natürlich längst vergessen habe, zitierte aus dem Kopf ganze Sätze von Marx und lieferte gleich noch eine Interpretation dazu.
    Ich endete und sah in eine Runde entsetzter Gesichter, außer einem, das breit lächelte, und dachte an meine Freunde in der Ökobäckerei. Sie wären zufrieden mit mir. Ich würde ihnen morgen alles erzählen. Sie grenzten mich jedenfalls nicht aus, auch wenn ich den Bonzen das Mittagessen hinstellte. Die Herren in ihren dunkelblauen Anzügen redeten alle wild durcheinander, machten sich natürlich über Marx lustig, beharrten auf der Vollbeschäftigung, es fielen Schlagworte, und mittendrin sah mich Julius Turnseck nachdenklich an. Er hatte ein Grübchen am Kinn.
    » Glauben Sie«, fragte er, » dass unsere Jugend, also Sie, ein Interesse daran hat, dass Deutschland wieder eine Weltmacht wird?«
    » Wie bitte?« Ich verschluckte mich fast. Ich hatte mich wohl verhört!
    » Nee«, sagte ich resolut, » sicher nicht! Das wäre ja noch schöner!«
    Ich sah ihn kopfschüttelnd

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