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Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Vogt- stli
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Dreck. Versuche, nicht zu atmen, alle Körperöffnungen zu versperren, aber der Matsch dringt trotzdem ein. Braun, sandig und kalt.
    Ich habe die Augen geschlossen. Spüre den Druck von Andreas’ Stiefel auf meiner Schläfe. Gerade so fest, dass ich mich vom Hals aufwärts nicht bewegen kann. Nicht so fest, dass was kaputtgeht. Er schiebt die Sohle leicht nach unten, erhöht den Druck vorsichtig, prüfend. Ich bewege keinen Muskel.
    »Du gehst mir so dermaßen auf den Sack«, sagt er langsam, während er sich zu meinem Gesicht hinunterbeugt und den Stiefel beim letzten Wort extra fest aufdrückt. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist, hä? Gandhi?«
    Sofus und die anderen lachen. Man könnte jetzt beeindruckt sein, dass Andreas den Namen Gandhi kennt und weiß, dass der Mann für seine Gewaltlosigkeit berühmt war, aber wir haben letzte Woche im Religionsunterricht über ihn gesprochen. Ich antworte nicht auf die Frage. Wenn ich den Mund aufmache, läuft mir der Schlamm in den Hals.
    »Du bist nur ein elender Feigling. Wir werden dir zeigen, was passiert, wenn man sich nicht wehrt.«
    Er nimmt den Stiefel weg. Der Druck hört auf, aber nur, um durch einen stechenden Schmerz ersetzt zu werden, als mich seine Schuhspitze mit voller Wucht in den Rücken trifft. Ich stoße einen Jammerlaut aus, kann ihn nicht unterdrücken.
    Ein Flatschen Rotze klatscht neben meiner Nase auf den Boden.
    Dann gehen sie. Lachend.
    »Hast heute noch mal Schwein gehabt!«, ruft Sofus zurück, als sie ein Stück entfernt sind.
    Ich bleibe noch eine Weile liegen.
    Ich versuche, den Fußboden nicht allzu schmutzig zu machen, als ich nach Hause komme, und ziehe mich im Flur aus. Es tut gut, sich aus dem dreckigen und nassen Zeug zu schälen. Frierend bringe ich die Klamotten nach oben ins Bad. Ich werfe sie in den Wäschekorb und drehe die Dusche auf. Ich dusche kochend heiß, bis der Warmwasserboiler leer ist. Normalerweise ist es schön, frisch geduscht in sauberen Sachen im Warmen zu sitzen, während der Regen gegen die Fensterscheiben trommelt. Ich habe es immer geliebt, an verregneten Wochenenden mit Mum drinnen zu sein, Kakao zu trinken und Spiele zu spielen. Aber ich kann das Gefühl nicht abschütteln, wie es war, in den kalten Matsch gepresst zu werden.
    Auf eine Art ist es gut, dass es überstanden ist. Diese ständigen Andeutungen von Andreas sind mir auf die Nerven gegangen. Aber ich weiß ja, dass es damit nicht erledigt ist, dass es nur immer schlimmer wird. Ich muss was tun. Ich muss mir was überlegen. Ich muss irgendeine super Strategie finden, die Andreas fertigmacht.
    Ich höre, wie Mum nach Hause kommt, und gehe die Treppe hinunter. Sie telefoniert, aufgedreht und kichernd. Sie erinnert mich immer mehr an die Mädchen in der Schule. Ich weiß nicht, ob mir das gefällt.
    Im Grunde sollte ich mich freuen, dass sie so fröhlich und munter ist wie schon lange nicht mehr, aber ich verstehe diese Persönlichkeitsveränderung nicht, es ist mir direkt unheimlich.
    »Okay, dann treffen wir uns da. Bis dann.«
    Mit wem redet sie?
    »Was? Nein, nein.«
    Sie kichert. Ein richtiges Teenagerkichern.
    »Unsinn, natürlich komme ich.«
    Sie lauscht einen Moment.
    »Hans Petter? Ja, da hast du sicher recht. Ich werde es ihm erzählen.«
    »Mir erzählen? Was denn?«, werfe ich ein.
    Sie dreht sich hastig um und sieht mich an, als hätte ich sie bei was ertappt.
    »Er kommt gerade herein. Bis später. Tschüss!«
    Mum legt das Telefon hin und dreht sich zu mir um. Ihre Wangen sind gerötet und ihre Augen leuchten. Eine Sekunde lang wirkt es, als würde sie in eine andere Welt hineinschauen. Dann kehrt ihr Blick zurück zu mir und das Gesicht verwandelt sich wieder in das meiner Mutter. Einer Mutter, die etwas Ernstes mit mir zu besprechen hat. Aber mit der neuen, trällernden Mum direkt unter der Oberfläche.
    »Was willst du mir erzählen?«
    »Ja, Hans Petter. Ich weiß nicht recht, wie ich anfangen soll.«
    »Spuck’s schon aus. Kann ja wohl nicht so schlimm sein.«
    »Es ist überhaupt nichts Schlimmes, eigentlich. Ich weiß selbst nicht, wieso ich es so schwierig finde. Es ist mir ein bisschen peinlich, glaube ich. Es ist so lange her.«
    Jetzt wird sie schon wieder rot. Träller-Mum mit dem Kichergrinsen blitzt hervor.
    Und plötzlich – viel zu spät – geht mir ein Licht auf.
    Mum ist verliebt! Deshalb benimmt sie sich die ganze Zeit so merkwürdig. Mir ist, als würde in meinem Kopf irgendwas einrasten, und plötzlich ergibt

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