Der Tag wird kommen
aufzuwischen.
Ich nehme einen großen Schluck direkt aus der Flasche. Bah, schmeckt das sauer! Ich hole mir ein Wasserglas und gieße es voll. Setze mich an den PC und spiele, während ich trinke. Es schmeckt immer besser. Man muss wohl lernen, das Zeug zu mögen.
Die Unruhe und das Kribbeln in mir haben nachgelassen. Ich komme richtig in Form, kann jetzt besser denken. Klar, ich habe ein paar Probleme, das steht fest. Aber ich schaffe das schon, die zu lösen. Ich bin clever.
Problem 1: Gunnar ist Mums Lover.
Lösung: Sabotieren. Dürfte ja nicht so schwer sein. Ich könnte mich als dermaßen lästiges Anhängsel erweisen, dass Gunnar die Lust an meiner Mutter verliert. Eigentlich ganz einfach, geradezu lachhaft. Wieso habe ich mir deswegen überhaupt Sorgen gemacht?
Problem 2: Andreas muss gestoppt werden.
Ich habe mich entschieden. Ich kann nicht zulassen, dass Andreas noch mehr Macht über mich bekommt. Gunnar hatte schon recht: Ich muss aufhören, ein Opfer zu sein. Ich muss was tun. Fragt sich nur, was?
Ich suche im Internet nach »Mobbing« und »Rache«. Ihn zu verprügeln, fällt schon mal weg. Dazu müsste ich mindestens ein Jahr lang Muskelaufbau betreiben und Anabolika schlucken.
Peinliche Gerüchte über ihn in die Welt setzen? Effektiv, aber durch wen sollte ich diese Gerüchte verbreiten? Ich rede ja mit niemandem.
Mit der Maschinenpistole in die Schule marschieren und losballern? Aah. Eine befreiende Vorstellung. Ich könnte mich mit schwarzem Matrix-Mantel und Sonnenbrille ausstaffieren. Könnte zusehen, wie die grinsenden Gesichter sich in angststarre Fratzen verwandeln, in Feiglinge, die um ihr Leben zittern.
Ich sehe es lebhaft vor mir.
Der Todesbote mit der Maschinenpistole. Entsetzte Schreie, Winseln um Gnade und große Jungs, die sich in die Hose pissen. Der unsichtbare Hans Petter wird plötzlich zu einem, vor dem sich alle verkriechen. Alle, die getreten haben, alle, die gelacht haben, und alle, die so getan haben, als würden sie nichts davon mitkriegen.
Aber das ist was für Loser. Ich habe nicht vor, mich zu erschießen oder in der Klapse zu landen. So eine Aktion ist zu ungenau. Andreas ist derjenige, den ich ausschalten will.
Außerdem habe ich keine Waffe.
Fera:
Was machst du gerade?
Hans Petter:
Ich plane Rache und Zerstörung.
Fera:
Haha.
Hans Petter:
Ganz im Ernst. Heute Abend bin ich der böse Dr. Delfin. Ich werde Gunnar aus dem Weg räumen und aus Andreas einen kleinen Klumpen Gelee machen.
Fera:
Wer ist Gunnar?
Hans Petter:
Mein Vertrauenslehrer. Er hat was mit meiner Mutter angefangen.
Fera:
Was?
Hört sich an wie etwas, das verboten sein sollte.
Hans Petter:
Ja. Das sollte es.
Fera:
Was willst du mit Andreas machen?
Hans Petter:
Ich weiß nicht genau, mir ist noch nichts Geniales eingefallen.
Fera:
Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?
Hans Petter:
Das ist nicht nur eine gute Idee, das ist zwingend notwendig.
Fera:
Warum hältst du das für notwendig?
Hans Petter:
Er hat mich heute beinahe im Matsch erstickt. Und er hat mir mehr angedroht. Ich muss es ihm heimzahlen.
Fera:
Ich weiß nicht, ob ich das besonders schlau finde. Vielleicht solltest du ihm lieber so gut wie möglich aus dem Weg gehen.
Hans Petter:
Was bleibt mir denn anderes übrig? Soll ich vielleicht einfach stillhalten und einstecken? Damit riskiere ich, dass er mir alle Knochen bricht!!! Je weniger ich reagiere, desto schlimmer wird er doch.
Fera:
Du, ich finde, du solltest auf mich hören. Vergiss nicht, dass ich ein bisschen mehr weiß als du.
Hans Petter:
Mehr als ich? Worüber denn? Über die Zukunft? Willst du mir jetzt etwa was über meine Zukunft erzählen? Werde ich reich und heirate einen Filmstar? Oder sterbe ich jung?
Fera:
Du glaubst mir nicht.
Hans Petter:
Willst du damit sagen, du hast wirklich gedacht, ich glaube dir? Dass du ein Technologie-Wunderkind aus der Zukunft bist? Das ausgerechnet mit mir Kontakt aufnimmt? Als einzigem Menschen aus der Vergangenheit?
Hans Petter:
Okay, lass hören. Was passiert mit mir in der Zukunft? Was rätst du mir, was ich tun soll, du Alleswisserin? Die du so viel schlauer bist als ich und überhaupt nicht krank im Kopf, eigentlich, sondern nur aus der Zukunft?
Sie antwortet natürlich nicht. Ich schreibe noch eine Menge, bevor mir auffällt, dass sie sich ausgeloggt hat. Es ist kein Wein mehr da. Ich dachte, man wäre ordentlich betrunken, wenn man eine ganze Flasche leer gemacht hat. Aber ich merke
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