Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Vogt- stli
Vom Netzwerk:
fast gar nichts. Nur eine Wärme im Körper. Ich fühle mich super. Ich darf nur nicht die Augen zumachen, sonst fahre ich Karussell. Das ist unangenehm und faszinierend zugleich.

Mir ist echt ein Rätsel, warum alle so scharf darauf sind, sich zu betrinken. Mein Kopf ist dermaßen schwer, dass es beinahe übermenschliche Kräfte erfordert, ihn anzuheben. Und bei der kleinsten Bewegung geht drinnen ein Presslufthammer los. Irgendwer ist in meine Gehirnwindungen geklettert und hat mit Abbrucharbeiten begonnen. Ich liege auf dem Fußboden und versuche, mich zu orientieren. Ich muss vom Stuhl gerutscht und eingeschlafen sein. Aber warum liege ich dann unter der Bettdecke? Bin ich aus dem Bett gefallen?
    Mist. Meine Mutter muss mich zugedeckt haben. Wahrscheinlich hat sie in mein Zimmer geschaut, als sie nach Hause gekommen ist. Eigentlich sollte sie wütend werden. Ihren Wein zu trinken, war wohl doch kein so guter Racheplan. Es wäre besser gewesen, sie hätte die Kopfschmerzen gehabt. Mir geht es schlechter als neulich bei meiner Grippe. Die Zunge ist pelzig und mein Hals schreit nach Flüssigkeit, aber ich wage nicht, mich zu rühren. Es fühlt sich an, als würden sich einige wichtige Gehirnzellen im Todeskampf winden. Es hilft nichts, ich muss was trinken.
    Ich setze mich auf. Das war zu früh. Ich merke, wie etwas in meinem Magen herumkrabbelt. Doch sich wieder hinzulegen, hilft jetzt auch nichts mehr. Die Bilder aus dem Alien-Film tauchen vor meinen Augen auf und scheuchen mich ins Bad. Ich umklammere die Kloschüssel. Das Monster in meinem Magen platscht heraus. Es gibt nichts auf der Welt, was das hier wert ist.
    Mum ist viel zu nett. Ich liege ausgestreckt auf dem Sofa und rücke die Beine zur Seite, damit sie neben mir Platz hat. Sie lächelt, trinkt einen Schluck aus der lippenstiftbeschmierten Tasse und fragt, ob ich denke, dass ich schon wieder etwas Kaffee vertrage.
    Ich schüttle vorsichtig den Kopf. Ich habe so lange geschlafen, dass es draußen bereits wieder dunkel wird. Mum hat Cola und Chips gekauft. Ich merke, dass es genau das ist, was mein Körper braucht. Sie verliert kein Wort darüber, dass ich heute die Schule geschwänzt habe. Wie ich sie kenne, schreibt sie mir eine Entschuldigung. Ich brauche sie nicht mal darum zu bitten.
    Heute hätte ich auch noch zu Gunnars grauenhafter Gruppensitzung gemusst. In mir steigt leiser Jubel auf. Die Gruppe allein war schon reine Quälerei, aber die Vorstellung, mit Gunnar in einem kleinen Raum sitzen zu müssen, ist jetzt noch unerträglicher.
    »Solltest du nicht mit mir schimpfen? Was für eine Mutter bist du eigentlich, dass du deinen 15-jährigen Sohn deinen Wein austrinken lässt, ohne dass es Konsequenzen hat?«
    Mum stellt die Tasse auf dem Couchtisch ab und lächelt schelmisch.
    »Meinst du nicht, dass du genug Konsequenzen gespürt hast?«
    Sie sagt nichts von Gunnar. Sie will wohl keinen Streit anfangen. Ich auch nicht. Außerdem kann sie nichts dafür, dass sie verliebt ist. Das ist Gunnars Schuld.
    Wieso macht der sich überhaupt an die Mütter seiner Schüler ran? Echt, Mann! Mum ist bestimmt nicht die Erste. Ich wette, der hat schon mit mehreren was gehabt, egal ob verheiratet oder Single. Offenbar weiß er genau, wie er es anstellen muss. Nutzt eine einsame alleinerziehende Mutter aus, die seit Jahren keinen Freund mehr hatte. Fera hat recht, das sollte verboten sein.
    Bei dem Gedanken an Fera wird mir mulmig. Die Sachen, die ich ihr geschrieben habe, tauchen aus der zähen Masse auf, die mal meine Gehirnzellen waren. Ich bin ein Idiot. Ein richtig idiotischer Idiot. So was wie mich dürfte man gar nicht frei herumlaufen lassen. Was, wenn sie sich jetzt nie wieder meldet? In diesem Moment erscheint mir die Vorstellung, dass sie für immer weg ist, schlimmer als alles andere. Ich weiß ja weder, wer sie tatsächlich ist, noch, wo ich sie finden kann. Das Einzige, was ich von ihr habe, ist ihre E-Mail-Adresse.
    Liebe Fera,
    Entschuldigung. Ich weiß nicht, warum ich gesagt habe, dass ich dir nicht glaube. Die Wahrheit ist, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben eine ganze Flasche Wein ausgetrunken hatte. Ich war besoffen. Du weißt wahrscheinlich nicht, was das ist. Gibt es das bei euch in der Zukunft, einen Rausch haben?
Ich tippe mal, dass ihr entweder das Gen entfernt habt, das sich berauschen will, oder der Rat teilt zu besonderen Anlässen staatlich geprüfte Pillen aus. Aber darauf will ich eigentlich gar nicht hinaus. Die Sache ist

Weitere Kostenlose Bücher