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Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Vogt- stli
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ungeschoren davon. Mann, das ist gut.
    »Obwohl ich finde … nein, halt. Ich habe versprochen, nicht darüber zu reden. Die Sache ist abgehakt.«
    Ich sollte vielleicht danke sagen oder so was, aber dazu kann ich mich nicht überwinden. Ich bringe kein Wort raus. Am liebsten wäre ich wütend, aber das ist schwierig, wenn er hier sitzt und versucht, »Nur-Gunnar, voll in Ordnung« zu sein. Ich könnte was Ironisches sagen, doch im Moment fällt mir einfach nichts ein.
    »Du, ich will kein Spielverderber sein, aber ich kann jetzt bei deiner Opfer-Gruppe nicht mehr mitmachen.«
    »Nein, schon klar. Ich kann das verstehen, das könnte leicht ein schiefes Bild ergeben. Ich muss zugeben, beim ersten Mal lief es nicht so gut. Ich war ein bisschen nervös. Und vielleicht nicht besonders gut vorbereitet.«
    Noch ein Problem gelöst. Das hab ich gut hingekriegt.
    Aus der Küche kommt eine verlockende Wolke von seltenem Waffelduft. Ich wette, Mum lauscht heimlich an der Tür, während die Waffeln backen. Ich wusste nicht mal, dass wir noch ein Waffeleisen haben.
    »June ist eine tolle Frau.«
    Ah ja. Schule ist als Thema tabu, aber über Mum können wir selbstverständlich reden. Jetzt teilen wir sie uns. Mir läuft es kalt den Rücken runter.
    »Weil sie allein einen schwierigen Sohn großzieht, meinst du?«
    »Nein, nein. Oder das auch, natürlich. Nicht, dass du schwierig bist. Jedenfalls nicht sehr. Ich meinte, dass sie unglaublich klug ist.«
    Ich falle fast von der Sofakante. Das haut mich um. Mum und klug? Vielleicht im Vergleich zu Gunnar?
    »Ein Bachelor-Studium neben einem Fulltime-Job durchzuziehen, das ist wirklich kein Kinderspiel. Und dann noch mit allerbesten Noten.«
    »Hm.«
    Das wird ja immer merkwürdiger. Hat Mum Gunnar was vorgeschwindelt, oder habe ich wirklich nicht mitgekriegt, dass sie ein Studium angefangen hat? Was studiert sie?
    »Ja, sie ist etwas ganz Besonderes.« Gunnar soll bloß nicht merken, dass ich keine Ahnung habe, wovon er spricht.
    Er lächelt und schmachtet mit Dackelaugen Richtung Küchentür.
    »Sie interessiert sich immer sehr für alles, was in der Zeitung steht und so«, sage ich, weil ich das Gefühl habe, etwas beisteuern zu müssen. Schließlich bin ich derjenige, der Mum am besten kennen sollte.
    »Nicht wahr? Sie ist sehr engagiert, stets auf dem neuesten Stand. Ich bin überrascht, dass sie nicht in die Politik gegangen ist. Aber das wäre vielleicht ein bisschen viel, neben dem Job und dem Studium. Und einem Sohn.«
    Mum und Politikerin. Das wird ja mit jeder Sekunde verrückter. Nur-Gunnar und ich sprechen offenbar nicht von derselben Frau. Er bewundert sie, als wäre sie ein weiblicher Einstein. Nur-Gunnar guckt wieder sehnsüchtig zur Küche. Das ist echt widerlich.
    Mum kommt herein, mit einer Waffel für jeden und Kaffee für Gunnar. Waffeln mit Erdbeermarmelade. Es schmeckt, als wäre ich wieder fünf und säße mit Mum in der Küche. Ohne an etwas anderes zu denken als daran, wie viele ich wohl essen darf. Mum ist aufgedreht, lieb und fröhlich. Sie sitzt da und zwitschert ein bisschen, bis ihr einfällt, dass sie eine Waffel im Eisen hat, und in die Küche läuft.
    Ich habe meinen Teller leer gegessen, nur noch ein Klecks Marmelade liegt darauf. Ich streiche mit dem Finger darüber und schlecke ihn ab. Gunnar schlürft seinen Kaffee. Ich starre auf den schwarzen Fernsehschirm. Eine dicke Staubschicht liegt darauf. Ich bin wohl an der Reihe, etwas zu sagen.
    »Bleibst du noch lange?«
    »Willst du, dass ich gehe?«, fragt Gunnar zurück. Er lächelt, um mir zu zeigen, dass er Spaß macht und dass es ein bisschen unhöflich von mir war.
    »Nee, ich frag ja nur«, murmle ich. Obwohl die Antwort natürlich »Ja, am liebsten möchte ich, dass du gehst und nie mehr wiederkommst« heißt. Ich esse noch eine Waffel und gehe anschließend nach oben auf mein Zimmer. Sie wollen sicher allein sein, jetzt nachdem eine angemessene Dosis Zwangsgemütlichkeit überstanden ist. Ich höre, wie sie leise miteinander turteln. Wenn ich irgendwann mal eine Freundin habe, werden wir uns nie so unterhalten. Falls sie es versucht, mache ich Schluss.
    Ich schleiche mich in Mums Zimmer. Sie hat einen Schreibtisch unterm Fenster. Er ist übersät mit Papieren, das reinste Chaos. Wenn ich darin herumwühle, bringe ich bestimmt irgendein System durcheinander, und sie erwischt mich. Aber ich sehe das Logo der Hochschule für Wirtschaft, »Betriebswirtschaft und Verwaltungswirtschaft in

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