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Der Talisman (German Edition)

Der Talisman (German Edition)

Titel: Der Talisman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth von Bismarck
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schmutzigen Hände an seiner Hose ab. Um ihn herum ragte eine dichte Wand aus grünen Blättern auf. Verärgert sah der Junge auf den Talisman herunter und murmelte: »Super, da hast du mir wieder etwas eingebrockt. Ich sehe nirgendwo einen Weg. In welche Richtung soll ich gehen?« Aber der Talisman leuchtete Yasha nur aufmunternd zu und überließ es dem Jungen, den Weg zu finden. Der Regen hörte auf. Kaum hatte sich die dichte Wolkendecke verzogen, begann die Sonne jeden Regentropfen aus dem Dschungel herauszubrennen. Nebel stieg vom Boden auf und die feuchte Hitze wurde unerträglich. Seit Stunden kämpfte sich Yasha schon durch den Dschungel. »Eine winzige Pause, nur eine ganz kurze!«, dachte er und setzte sich erschöpft auf den Boden.
    Yasha erwachte mit einem komischen Gefühl im Bauch. Als er vorsichtig die Augen öffnete, sah er vier dicke, schwarze Männer, die sich über ihn beugten und ihn mit gierigen Blicken musterten! Er hatte die Liaweps gefunden oder besser sie ihn. Sofort schoss ihm die Nachricht durch den Kopf, die seine Mutter in den Diamanten geritzt hatte: »Sie trinken aus Menschenschädeln.« »Welch ein Glück, dass mein Vater noch ein Stein ist! Das wäre ich jetzt auch gern!«, dachte Yasha.
    In Abenteuerbüchern hatte er Geschichten über Menschenfresser gelesen, die auch »Kannibalen« genannt werden. Kannibalismus gibt es bei sehr primitiven Volksstämmen. Sie glauben, dass sie, wenn sie einen Menschen aufessen, genauso klug, groß und schön wie ihre Opfer werden. Dass Yasha jemals echten Kannibalen begegnen würde, hätte er niemals für möglich gehalten. Die vier Eingeborenen sahen furchteinflößend aus. Sie trugen seltsame Ketten und hatten sich Narben ins Gesicht geritzt, die wie Katzenschnurrbärte aussahen. Ihre fleischigen Nasen waren durchbohrt und mit farbigen Steinstiften geschmückt, die wippten, wenn sie redeten. Ihre bunt bemalten Gesichter und Körper sahen eindrucksvoll aus und sie kleideten sich nur mit einem Bananenblatt, ansonsten waren sie splitterfasernackt. Kein Wunder bei dieser unerträglichen Hitze! Das also waren die Liaweps!
    Die vier Liaweps
    starrten auf
    Yasha herunter. Der Junge wurde immer unsicherer und ihm schossen allerhand unerfreuliche Gedanken durch den Kopf. Hoffentlich hielten diese Männer ihn nicht für ein Geschenk, das extra für ihren Kochtopf vom Himmel gefallen war. »Hallo, ich bin Yasha!«, stammelte er, in der Hoffnung, sein Talisman würde dafür sorgen, dass er die Sprache dieses Naturvolkes sprechen konnte. Aber das schien nicht der Fall zu sein, denn die vier Liaweps fingen zu kichern an. Was sie dann sagten, klang ungefähr so: »Bilo sibi. Ha! Bilo-li-hayo-samo bi! Mo mo milo!«
    Nachdem die vier kurz miteinander geflüstert hatten, packten sie Yasha an Armen und Beinen. Der Junge wehrte sich verzweifelt, doch das beeindruckte die Männer nicht. Sie trugen Yasha mühelos durch den dichten Dschungel. Es dauerte nicht lange, bis sie ein kleines Urwalddorf erreichten.
    Unter den neugierigen Blicken der Dorfbevölkerung wurde der Junge in eine Hütte getragen. Dort legten die Männer Yasha unerwartet sanft in eine Hängematte und verschwanden. Eine Weile beobachtete der Junge zwei schwarze Schmetterlinge, die unter dem Dach der Hütte herumflatterten, dann fielen ihm trotz seiner Angst die Augen zu.
    Schrilles Kreischen und dumpfe Trommelschläge weckten Yasha. Es war stickig und heiß in der kleinen Hütte. Aus dem Halbdunkel starrten ihn schwarze Gesichter mit kugelrunden Augen und weiß leuchtenden Zähnen an. »Samo sibi! Mo mo milo!«, sangen die Liaweps und wogen sich im Takt der Trommeln. »Samo sibi! Mo mo milo!« Plötzlich verstummten die Trommeln und die Eingeborenen wichen hastig zur Seite. Yasha spürte einen leichten Lufthauch. Der Häuptling erschien. In der Hand trug er ein Zepter, auf dessen Spitze ein ausgeblichener Schädel steckte. Begleitet wurde er von vier Jünglingen, die ihm mit ihren riesigen Fächern aus schillernd bunten Federn Luft zufächelten.
    Neugierig beugte sich der Häuptling über Yasha und rieb seine knollige Nase heftig an dessen Nase. Yasha erstickte fast, diese Begrüßung war sehr eklig. Dann begann der Häuptling, Yasha sorgfältig abzutasten. Seine Arme, seinen Bauch, seine Beine, seine Füße. Es kitzelte furchtbar und Yasha musste gegen seinen Willen lachen. Da lachten alle Umstehenden mit und drängelten sich näher um die Hängematte. Unzählige Hände griffen nun nach Yasha, während

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