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Der Talisman (German Edition)

Der Talisman (German Edition)

Titel: Der Talisman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth von Bismarck
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berühren.
    Plötzlich fesselte
    etwas Yashas Aufmerksamkeit. Interessiert beobachtete er, wie am anderen Ende des Dorfes Unruhe entstand. Der Häuptling und der Medizinmann stritten sich. Wie überall, wenn es etwas zu sehen gibt, eilten die Menschen neugierig zusammen. Bald hatte sich ein dichter Kreis um die beiden Streithähne gebildet. Auch die Sänftenjünglinge waren stehen geblieben. Plötzlich öffnete sich der Kreis der Menschen und angeführt von ihrem Häuptling und dem Medizinmann lief die Menge schreiend und johlend auf die Sänfte zu. Yasha bekam einen riesigen Schreck, als er Valo erkannte. Der Junge fiel vor Yasha auf die Knie und zeigte auf den rechten Arm des Häuptlings. Dort war ein sehr hässliches, eiterndes Geschwür zu sehen. Der Häuptling verzog schmerzhaft das Gesicht und packte Valo mit seinem gesunden Arm am Genick und schüttelte ihn. »Bitte, Yasha, heile ihn mit dem Talisman, sonst bekomme ich große Schwierigkeiten!«, wimmerte Valo. Dabei wand er sich wie ein Aal aus dem festen Griff des Häuptlings und rannte davon.
    Woher wusste Valo, dass der Talisman magische Kräfte hatte? Yasha wollte kein Heiler werden, er wollte zur Steinstatue und seinen Vater in seine menschliche Gestalt zurückverwandeln und zusammen mit ihm fliehen. Und jetzt war Valo ausgebüxt, bevor er übersetzt hatte, was Yasha dem Häuptling hätte sagen wollen. Fieberhaft dachte Yasha nach. Die Liaweps wurden schon ungeduldig.
    »So könnte ich es versuchen«, überlegte Yasha und zeichnete mit einem Stock Bilder auf die Erde. Zuerst malte er die Steinstatue, davor den Häuptling mit seinem kranken Arm. An die Stelle, wo das Geschwür war, legte Yasha einen schwarzen Stein hin. Dann ritzte Yasha ein zweites Bild in die Erde. Diesmal malte er den Häuptling mit einem lachenden Gesicht, und den schwarzen Stein vom Arm der Zeichnung warf Yasha weit weg. Der Häuptling schaute sich das alles sehr genau an, nickte Yasha zu und ging. Am nächsten Tag merkte Yasha, dass etwas in der Luft lag. Der tägliche Spaziergang fiel aus. Einer der Fächerträger brachte ihm Wasser und etwas zu essen. Die Liaweps ließen Yasha buchstäblich in seiner heißen, stickigen Hütte schmoren.
    Auch Valo
    ließ sich
    nicht blicken, aber das bedauerte Yasha nicht besonders. Er misstraute Valo. Woher wusste der einäugige Junge von den magischen Kräften des Talismans und warum hatte er dem Häuptling erzählt, dass Yasha ihn heilen könnte?
    Damit sein Talisman nicht in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken konnte, hatte Yasha gestern von der Sänfte aus einige Blätter abgerissen. Er würde den Liaweps eine perfekte Vorstellung als Medizinmann liefern.
    Bei Sonnenuntergang wurde Yasha von den vier Fächerjünglingen abgeholt. Es ging ein Stück in den Dschungel hinein, dann erreichten sie die Lichtung, auf der die Steinstatue aufgestellt war. Als Yasha die Statue erblickte, wusste er gleich, dass das sein Vater war. Yasha war seinem Ziel ein ganzes Stück näher gekommen, aber das Schwierigste lag noch vor ihm. »Vater, hilf mir!«, flüsterte er leise und griff nach dem Talisman.
    Das ganze Dorf hatte sich um die Steinstatue versammelt. Die Liaweps sangen und trommelten. Yashas Sänfte wurde heruntergelassen. Er nahm seine Blätter aus der Sänfte und hielt sie hoch. Um sich Mut zu machen, sang er sehr laut ein Lied und näherte sich langsam dem Häuptling. Dabei setzte Yasha eine, wie er hoffte, möglichst düstere Miene auf. Das hatte er beim Medizinmann gesehen. Schlagartig wurde es still. Yasha kam sich wie ein Hohepriester vor. Und wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte Yasha sein eigenes Schauspiel sicher sehr genossen.
    Yasha erhob seine Hände und drückte die Blätter fest auf den kranken Arm des Häuptlings und flüsterte: »So wahr mir Gott helfe! Ich will, ich will, ich will, dass das Geschwür verschwindet!« Minuten vergingen, Schweiß rann Yasha die Stirn herunter. Er wagte nicht, seine Hände zu heben. Aber da erlöste ihn der Talisman und wurde ganz warm. Mit einem Schrei hob Yasha seine Hände hoch und siehe da: Das Geschwür war weg. Der Häuptling zeigte siegreich seinen Arm. Alle staunten und fingen wie von Sinnen an zu tanzen und zu singen. Es gab viele Nasenreibereien! Yasha war furchtbar enttäuscht, als er sofort in seine Sänfte gesetzt und in die stickige Hütte zurückgetragen wurde. Dort fächelten ihm die Fächerjünglinge so lange kühlende Luft zu, bis Yasha erschöpft einschlief. Er

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