Der Talisman (German Edition)
der Gesang »Mo mo milo …« wieder einsetzte. »Das heißt wohl gut genährt?«, dachte Yasha ängstlich und versuchte sich gegen die vielen Hände zu wehren. Der Häuptling knurrte böse und schlug mit seinem Zepter auf die vorwitzigen Hände seiner Leute. Augenblicklich zogen sie sich zurück.
Plötzlich griff der
Häuptling
nach Yashas Talisman. Sorgsam verglich er ihn mit den vielen Glücksbringern, die er selber trug. Yasha war unendlich erleichtert, als der Häuptling den Talisman uninteressiert losließ, um laut zu verkünden: »Mo mo milo!« Damit schien das Ritual abgeschlossen zu sein, denn alle verließen singend die Hütte. Alle bis auf die vier Jünglinge mit ihren Fächern. Sie nahmen rund um Yashas Hängematte Aufstellung und fächelten ihm Luft zu. Das war bei der Hitze, die hier herrschte, so angenehm, dass Yasha nach einer Weile einschlief.
Von nun an wurde Yasha jeden Tag in einer Sänfte im Dorf herumgetragen. Seine Versuche aus der Sänfte zu steigen, verhinderten die Fächerjünglinge. Er durfte nicht selber laufen. Ständig fütterte ihn jemand mit Obst und unbekanntem Gemüse, das die Dorfbewohner extra für ihn zubereiteten. »Das soll mich wohl zart machen?«, dachte er und sagte laut: »Ja, zart und dick soll ich für euren Kochtopf werden. Mo mo milo!« Die Fächerjünglinge nickten eifrig. Yasha schauderte es. Kurz bevor die Sonne unterging, brachten ihn seine Bewacher zurück in die Hütte. Eines Abends wartete dort ein fremder Junge. Ängstlich schaute er auf. Einer der Fächerjünglinge erteilte dem Jungen ein paar Befehle. Dann verließen die Eingeborenen eilig die Hütte.
Neugierig musterte Yasha seinen neuen Gefährten. Er sah nicht wie ein Eingeborener aus, seine Haut war sehr viel heller und sein Körper war nicht bemalt. Über dem linken Auge war eine weiße Muschel mit einer Schnur befestigt. Seine Haare hatte der weiße Junge oben auf dem Kopf zu einem Zopf gebunden. Als die Schritte der Fächerjünglinge verklungen waren, schien die Angst des Jungen wie weggeblasen und er sprach Yasha an: »Ich bin Valo. Wie heißt du?«
Yasha konnte es kaum fassen, dass er endlich jemanden hatte, mit dem er reden konnte. Der weiße Junge erzählte ihm, dass er und seine Eltern, die den Dschungel von Papua-Neuguinea erforschen wollten, von den Liaweps überfallen worden waren. Seine Eltern wurden vor seinen Augen getötet und verspeist. Ihn hatten die Liaweps mit in ihr Dorf verschleppt. Verschwörerisch deutete Valo auf die weiße Muschel: »Nur das Auge haben sie …« Yasha war entsetzt, trotz der Hitze lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken.
Eine Weile sagte keiner der beiden ein Wort, denn als hätte er Yashas Gedanken gelesen, berichtete Valo von den geheimnisvollen Ritualen, die jeden Abend im Dorf abgehalten wurden: »Sie haben einen neuen Gott, den sie anflehen, ihnen zu helfen. Bei der Ernte, wenn jemand krank ist und zum Schutz gegen die schlimmen Stürme! Ihr Gott ist eine große steinerne Statue, die wie ein Mensch aussieht.«
Der Talisman
begann
zu glühen, während Valo weitersprach: »Vor einiger Zeit kam ein Pirat ins Dorf, er war riesig groß. Der Pirat war ein starker Krieger. Niemand hätte ihn besiegen und aufessen können. Darum wurde er als Gast im Baumhaus des Häuptlings aufgenommen. Der Pirat prahlte mit der magischen Steinstatue auf seiner Insel und versuchte, sie den Liaweps zu verkaufen.« »Ja, das ist typisch für den Riesen!«, dachte Yasha, während Valo seine Erzählung fortsetzte: »Als der Pirat wieder fortsegelte, folgten die Liaweps ihm heimlich in das andere Meer und stahlen seinen Steingott. Der neue Gott ist den Liaweps sicher sehr dankbar dafür, denn auf der Insel des Piraten hat ihn nur eine einzige Frau angebetet. Aber jetzt lass uns schlafen, ich bin müde!« Und wenige Augenblicke später verrieten Valos tiefe Atemzüge, dass er eingeschlafen war.
Am nächsten Morgen wurde Yasha wach, weil ihn etwas am Hals kitzelte. Valo stand neben ihm und hielt einen dünnen Stock in der Hand, der sich im Stoffband des Talismans verfangen hatte. »Lass das!«, zischte Yasha und befreite seine Kette. Dabei ärgerte er sich über Valos arroganten Gesichtsausdruck. In diesem Moment kamen die vier Fächerträger, um Yasha zu holen. Während er in der Sänfte herumgetragen wurde, damit die Dorfbewohner ihn füttern konnten, dachte Yasha darüber nach, wie er es schaffen könnte, an seinen Vater heranzukommen, um ihn mit dem Talisman zu
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