Der Talisman (German Edition)
geheimnisvolle Alumentai. Verwirrt eilte Yasha zurück ins Dorf, denn es wurde bereits dunkel und nun war ihm in der Geisterbucht doch ein wenig unheimlich geworden.
Als der Vollmond dick und rund am Himmel erschien, legte das Boot des Riesen am nördlichen Strand an. Ja, das musste man dem riesigen Piraten lassen, er war immer ausgesprochen pünktlich. Schnell machte die Nachricht von der Rückkehr des Riesen die Runde. Die Inselbewohner jubelten vor Freude und versammelten sich am Strand. Ihr Anführer hatte reiche Beute gemacht. Unter dem Kommando des Riesen wurde die Beute auf den Dorfplatz geschleppt. Yasha sah mit Schaudern die vielen wertvollen Dinge, die der Riese gestohlen hatte. Sicher war er dabei nicht zimperlich zu Werke gegangen. Doch dem Jungen blieb nicht viel Zeit, um darüber nachzudenken, welche Dramen sich auf der Kaperfahrt abgespielt haben mochten. Denn in diesem Moment entdeckte ihn der Riese.
Erfreut stürzte er sich auf Yasha und umarmte ihn beglückt. Dabei wurde der Junge klitschenass, denn Riesen weinen nun mal Riesentränen – vor Freude. »Salvi-Co-Ilu, mein Sohn«, schluchzte er bewegt, »ich habe etwas Wunderschönes für dich. Ich habe eine Frau gefunden. Sie heißt Marisa und sie ist schöner als alle Sterne des Himmels zusammen! Sie wird in einem Monat auf unsere Insel kommen. Und dann, mein Sohn, feiern wir deine Hochzeit!«
Yasha war völlig
verdattert.
Noch ein Problem! Das konnte er jetzt gar nicht gebrauchen. Heiraten! Ein Mädchen? Der Riese merkte gar nicht, dass seine schöne Überraschung bei Yasha keine Begeisterung auslöste, denn er hatte sich schon wieder umgedreht und raste, grinsend vor Freude, den Weg zwischen den schwer beladenen Leuten hin und her und kommandierte sie herum. Dies hierhin, das dahin, jenes dort aufstapeln. Nein, die schönen Speere sollten dort liegenbleiben, wo sie waren …
Als alles fertig verteilt war, sprang der riesige Pirat auf einen großen Stein mitten auf dem Dorfplatz. Mit weit ausholenden Gesten erzählte er seinem begeisterten Publikum von seinen Abenteuern. Yasha musste zugeben, dass die Geschichten, wenn er die Wahrheit sagte, wirklich unglaublich waren!
Als der Riese endlich fertig erzählt hatte, war er ganz heiser vom vielen Reden. Mit rauer Stimme krächzte er: »Und jetzt wollen wir feiern! Rum! Musik! Los! Hahaha!«
Und wie sie alle feierten! Der Rum floss in großen Mengen. Die Menschen sangen, tanzten und waren sehr fröhlich. Nur Yasha konnte sich nicht freuen. Er dachte an seine Eltern und die erfolglose Suche nach Alumentai. Nun würde alles noch viel schwieriger werden, denn der Riese würde ihm wieder ständig an den Fersen kleben. Da kam ihm plötzlich eine Idee.
Yasha griff
nach seinem Talisman
und sagte: »Jetzt! Zeige allen die Nebelgeschichte, so wie du sie mir in der Geisterbucht gezeigt hast!« Dann schrie er, so laut er konnte: »Oh, schaut! Schaut dort in der Geisterbucht! Wie schrecklich!« Unten in der Bucht erschien der zarte Nebelschleier und dann formte sich aus dem Nebel ein unheimlicher Sturm, dann ein riesiges Schiff, das direkt auf die Klippen zu segelte …
Auf dem Dorfplatz war es totenstill geworden. Entsetzt starrten alle auf das dramatische Schauspiel. »Riese! Dorfbewohner!«, schrie Yasha laut. »Was ihr in der Bucht seht, ist die Vergangenheit! Schaut dort, meine Eltern und Steju! Sie brauchen mich und ich brauche Alumentai, um ihnen zu helfen. Bitte, holt Alumentai her!« Der Junge nahm die Hand des Riesen und sah ihm bittend in die Augen. »Wenn du mich wirklich als deinen Sohn liebst, darfst du mich nicht daran hindern, meine Eltern zu finden! Glaube mir! Wen man liebt, muss man auch loslassen, sonst zerstört man die Liebe.«
Unglücklich sackte der Riese in sich zusammen. Wie ein Häufchen Elend hockte er nun auf dem Stein, mitten auf dem Dorfplatz. Ihm war klar geworden, dass er Yasha nicht von seiner Suche abhalten konnte. Ja, er war blind vor Eigennutz. Fast hätte er Salvi-Co-Ilus Zuneigung verloren, und das wäre sehr schlimm für ihn gewesen. Sich das einzugestehen, war für den Riesen eine bittere Pille. Plötzlich kam ihm ein tröstlicher Gedanke: Salvi-Co-Ilu würde immer der Sohn seines Herzens bleiben. Und weil Yasha so klug gehandelt hatte, war der Riese auch mächtig stolz auf ihn. Er richtete sich auf und befahl seinen Leuten, die alte Frau zu holen. Bebend vor Angst schleppte sich Alumentai zu Yasha. Sie klammerte sich an ihn und berührte dabei den Talisman. Er
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