Der Talisman (German Edition)
Raums war wunderschön geschnitzt. Die kleine Frau Zoli öffnete die Fensterläden. Vor Yasha lag ein Dorf aus Baumhäusern. Alle waren mit Hängebrücken verbunden. Es war einmalig!
Neugierig folgte Yasha der Frau. Sie führte ihn auf ihre Terrasse. Von hier aus sah man das Meer und man hörte die Wellen rauschen. Yasha wurde ganz schwindelig, als er nach unten in den Garten schaute. »Ü, ü!«, zirpte seine Begleiterin und zupfte an Yashas Ärmel.
Über eine schwankende Brücke gelangten sie zum Gästehaus. »Ü, ü! Früher hier Steinfußmann wohnen. Guter Ort für Sohn. Du magst?«, zirpte Frau Zoli und führte Yasha auf die Rückseite der Terrasse. Hier erblickte der Junge zu seinem Erstaunen eine Dusche! Sie war aus Bambusrohren gebaut. Als Duschkopf diente die getrocknete Samenkapsel einer Riesenblume. Hoch oben in der Baumkrone hingen große Behälter, die aus einem einzigen riesigen Blatt zusammengedreht waren. Die Frau zog lächelnd an einer Schnur und schon rieselte das Wasser. Wie geschickt! Frau Zoli verbeugte sich lächelnd und zog sich zurück. Yasha duschte begeistert. So hoch oben in einem Baum zu duschen war ein Erlebnis!
Yasha gewöhnte sich
schnell an das
Leben im Baumhausdorf. Die Oras fand der Junge eklig, was ihn nicht daran hinderte, sich ausgiebig mit ihnen zu befassen. Eines Tages entdeckte er an einem Strand ein Nest mit Dracheneiern. Sie waren hell, mit kleinen braunen Sprenkeln und sahen genauso aus wie der Sand, in den die Oramutter sie eingegraben hatte. Mit einem Stöckchen drehte er die Eier herum, um seinen interessanten Fund von allen Seiten zu untersuchen. Dann nahm er eines aus dem Nest. Das Ei fühlte sich wie Leder an. Yasha wollte es gerade gegen das Licht halten, um zu sehen, ob man den kleinen Drachen im Inneren erkennen konnte, da drückte etwas gegen die Schale. Gebannt starrte der Junge auf das Drachenei in seiner Hand. Ein winziger Riss entstand. Plötzlich drängte sich ein kleiner Kopf durch die Schale. Der Minidrache schaute Yasha an und ließ seine lange gelbe Zunge frech vorschnellen. Erschrocken ließ der Junge das Ei fallen. Ein letzter Ruck, und der Winzling hatte sich aus der Schale befreit. Ohne zu zögern flitzte das Drachenkind los und verschwand in den Büschen. »Bah, wie schnell!«, murmelte Yasha beeindruckt. Der Strand war kein ungefährlicher Ort. Drachenmütter schauen mindestens zehnmal am Tag nach ihren Eiern. Nachdenklich sah der Junge auf das Nest herunter. Was würde wohl passieren, wenn die Mutter das Nest leer vorfand? Yasha zog sein Hemd aus und wickelte die Eier darin ein. Mit dem gut verknoteten Bündel stieg er auf einen Baum und wartete auf die Drachenmutter. Es dauerte nicht lange und Yasha hörte es im Gebüsch rascheln. Da war sie auch schon. Zielstrebig tappte die Echse zum Nest. Zufrieden stupste sie mit dem Maul gegen die leere Eierschale. Dann suchte sie ihre anderen Eier. Immer hektischer wurde die Drachenmutter dabei. Verzweifelt buddelte sie mal hier, mal dort. Schließlich gab die Arme die Suche nach ihren Kindern auf und warf sich verzweifelt auf den Rücken, ihr Maul wie zu einem stummen Schrei aufgerissen.
Dicke Tränen kullerten aus ihren gelben Augen. Yasha hatte die wachsende Verzweiflung des Oras von seinem Baum aus beobachtet. »Drachenmutterliebe, ja, die gibt es – sie trauert!« Berührt von dem, was er verursacht hatte, kletterte Yasha vom Baum herunter und ließ die Eier vorsichtig in die Nähe der trauernden Mutter kullern.
Auf dem Rückweg
zum Dorf kam Yasha
eine Idee. Junu Zoli hatte ihm erzählt, dass die Oras auf der Nachbarinsel eine Touristenattraktion waren. Dort wurden sie gefüttert und verhielten sich fast zahm. Die Insel Komodo war nicht allzu weit entfernt. Wäre es möglich, die Oras …
Junu Zoli und seine Frau harkten die Wege, als Yasha gut gelaunt in den Garten stürmte. »Wie lange können Drachen schwimmen?«, fragte der Junge aufgeregt. »Ein paar Stunden!« »Würden sie auch so lange schwimmen, um ihre Eier zurückzubekommen?«, bohrte Yasha weiter. »Aber ja!«, sagte sein lieber Gastgeber. »Sogar noch viel weiter! Erzähl, Yasha! Was hast du vor?« »Alsooo«, begann Yasha, »wir sammeln alle Dracheneier ein und legen sie in ein Fischernetz. Das Netz befestigen wir an einem Boot. Danach müssen wir nur noch die Oras anlocken. Wenn sie alle am Strand sind, segeln wir nach Komodo. Die Drachen werden dem Boot mit ihrer Brut folgen!« »Ü, ü, ü«, zirpte Frau Zoli entsetzt und
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