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Der Talisman (German Edition)

Der Talisman (German Edition)

Titel: Der Talisman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth von Bismarck
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über das Geländer und bekam eine Gänsehaut. Es waren drei ausgewachsene Exemplare! Die Drachen! Sie waren auf der Jagd. Schleifen … Rülpsen … dann eine Art Plätschern. Träge glitten ihre schuppigen Leiber durchs Unterholz. Die langen, gespaltenen Zungen tasteten auf der Suche nach Beute fühlend hin und her. Leise begann der Mann zu erzählen: »Ich bin Junu Zoli. Du siehst die großen Drachen zum ersten Mal? Wir nennen sie Oras. Sie haben sich in den letzten Jahren verändert. Früher, als es auf der Insel noch Hirsche, Wildschweine und Büffel gab, gingen sich Menschen und Drachen aus dem Weg. Aber die großen Beutetiere sind ausgestorben und die Oras haben gelernt, vom Fleisch der Menschen zu leben. Sie liegen versteckt im Gebüsch und warten auf ihre Beute. Ihr Biss enthält ein tödliches Gift. Ausgerechnet meinen sanften Bruder Ismael haben sie sich als Ersten geholt. Seitdem starben viele Menschen, denn die Oras sind immer hungrig. Wir können den geschützten Garten nur in der Nacht verlassen, wenn die Drachen in ihren Verstecken schlafen.«
    Yasha war bestürzt
    und legte dem
    Indonesier tröstend die Hand auf den Arm. Eine Weile schwiegen die beiden. Dann zeigte Yasha Junu Zoli das Foto seines Vaters. »Der Steinfußmann, du kennst ihn?«, rief der Mann erfreut aus. »Ja, das ist mein Vater! Ist er hier?«, fragte Yasha und schaute Junu Zoli erwartungsvoll an. Junu Zoli zuckte unbehaglich mit den Schultern. Er hatte das Gefühl, dass seine Antwort dem Jungen nicht gefallen würde. Widerstrebend begann er zu erzählen: »Wir haben den Steinfußmann unten in der Bucht gefunden. Er lebte lange Zeit bei uns im Dorf. Es war seine Idee, den Zaun und die Beobachtungsplattform zu bauen, damit wir unsere Häuser auch tagsüber verlassen können, um im Garten zu arbeiten! Einmal hat ihn ein Drache gebissen. Aber dein Vater hatte großes Glück und der Drache Pech. Er hatte ihn an seinem Steinfuß erwischt. Was meinst du, der Ora war fertig mit der Welt! Er hat sich immer wieder mit der Pfote über die Schnauze gewischt, muss höllische Zahnschmerzen gehabt haben!« Bei dieser Erinnerung lächelte Junu Zoli. »Wir sind deinem Vater so dankbar für den Zaun. Er ist ein kluger Mann! Übrigens: Dein Vater hat auch immer da gesessen, wo du jetzt sitzt.« Yasha hörte Junu Zoli mit glänzenden Augen zu.
    »Hier auf Padar lernte der Steinfußmann die kanadischen Wissenschaftler kennen. Die beiden haben die Drachen erforscht und einen Weg gefunden, uns von dieser Plage zu befreien. Sie werden einen Frachter mieten, Tierfänger einstellen und jede Menge Transportkisten bauen lassen. Ja! Und um das Geld dafür zu beschaffen, sind sie nach Europa gereist. Der Steinfußmann blieb bei uns. Dann kam ein sehr glücklicher Tag für deinen Vater. Ein Junge namens Androsh kam nach Padar, um deinen Vater zu deiner Mutter nach Budapest zu bringen. Der Ort heißt ›Pannaspraxis‹ oder so ähnlich. Yasha! Es tut mir so leid, dass dein Vater nicht mehr hier ist …« Yasha aber lächelte ihn glücklich an. Sein Vater und seine Mutter hatten sich gefunden und waren bei Panna in Budapest. Das war eine gute Nachricht. Er würde so bald wie möglich nach Ungarn reisen. Junu Zoli räusperte sich und sagte: »Komm! Lass uns nach unten klettern! Gleich wird es dunkel und ich muss fischen gehen!«
    Im Garten zog
    Junu Zoli eine kleine
    weiße Muschelpfeife aus seiner Tasche. Er blies hinein. Dreimal ertönte ein schriller Pfiff. Sofort waren kleine Schritte zu hören. Kurz darauf erschien eine junge Frau. Sie trug einen hohen Kopfputz, ein blaues Kleid mit gelbem Blumenmuster und ihre kleinen Füße steckten in roten Sandalen. Über dem Arm trug sie ein ordentlich gefaltetes Fischernetz und in der Hand einen langen, stabilen Stock. Mit einem Lächeln reichte sie beides Junu Zoli. »Sie ist so bunt wie ein Paradiesvogel«, schoss es Yasha durch den Kopf. Frau Zoli lächelte und führte Yasha zu einem Baum. Dort band sie eine winzige Hängeleiter von einem Holzpfahl los. »Ü, ü …!«, zirpte sie und hielt Yasha einladend die Leiter hin. Mit einer zierlichen Bewegung deutete sie nach oben. Durch eine Klappe im Boden des Baumhauses gelangten sie in einen kleinen Vorraum. Es war sehr warm und roch nach poliertem Holz.
    Frau Zoli zog ihre Schuhe aus und stellte sie ordentlich nebeneinander. Yasha folgte ihrem Beispiel. Mattes Licht fiel durch kunstvoll durchbrochene Fensterläden. Im Wohnraum standen Baumbusmöbel und die Holzdecke des

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