Der Talisman (German Edition)
Hafen von Komodo, dabei gähnte er herzhaft. Jetzt, nachdem er das Abenteuer mit den Padar-Drachen glücklich überstanden hatte, merkte er erst, wie müde er war. Der Deckel von Junu Zolis Seekiste knarrte, als Yasha sie öffnete und eine Schlafmatte daraus hervorzog. Mit wenigen Handgriffen richtete er seinen Schlafplatz ein. Dann nahm er aus der Kiste einen Notizblock heraus und schrieb: »Lieber Junu Zoli, liebe Frau Zoli, liebe Bewohner von Padar! Es hat prima geklappt, die Drachen hier auf die Komodo-Insel zu locken. Glaube, es gefällt ihnen hier. Wenn ich meine Eltern gefunden habe, besuchen wir euch bestimmt einmal. Bis dahin! Alles Liebe! Euer Yasha.« Der Junge legte den Block zurück in die Seekiste.
Morgen würden Junu Zoli und ein paar seiner Fischer nach Komodo rudern, um das Segelboot wieder abzuholen. Dann würden sie seinen Brief finden. Zufrieden kuschelte sich Yasha auf die Schlafmatte.
Der steinerne Schmetterling begann zu leuchten. Yasha drückte ihn wie ein Kuscheltier an seine Brust. Er träumte von seinen Eltern. Sie umarmten ihn und sein Vater sagte: »Yasha, du meisterst deine Aufgaben sehr gut. Deine Mutter und ich glauben, dass du jetzt alt genug bist, um uns zu helfen. Wir wollen uns nicht mehr verstecken und sind jetzt in Ungarn, um Olav Zürban zu suchen. Komm nach Budapest und geh zu Panna in die Praxis! Sie wird dich in ein sicheres Versteck bringen. Dort warte auf unsere Nachricht! Wir brauchen dich und den Talisman, um den Fluch zu brechen!« Yasha erwachte. Sein Kopfkissen war ganz nass. Er hatte im Traum geweint und noch immer liefen ihm die Tränen über die Wangen. Angst und Glück erfüllten gleichzeitig sein Herz. Sollte die Zeit der Suche wirklich bald zu Ende sein?
Vom Meer her
erklang ein dumpfes
Dröhnen, das schnell lauter wurde. Yashas kleines Segelboot begann heftig zu schaukeln. Ein großer Dampfer glitt in den Hafen von Komodo. Im hellen Licht der Bordbeleuchtung flatterte die chinesische Flagge. Obwohl es mitten in der Nacht war, herrschte auf dem Dampfer hektische Betriebsamkeit. Scheppernd wurde die Gangway heruntergelassen. Eine Reihe weiß uniformierter Männer eilte die Gangway herab. Im Laufschritt verschwanden sie zwischen den Lagerhallen. Noch eine ganze Weile hörte man ihre schweren Schritte. Dann wurde es ruhig. Nur das Brummen des Schiffsmotors und das leise Plätschern der Wellen waren zu hören.
Da bemerkte Yasha einen kleinen Schatten, der über den dunklen Pier schlich und direkt auf ihn zukam. Gehetzt sah sich die kleine Gestalt um, als an Bord des Dampfers laute Rufe erklangen. Sie duckte sich und begann zu rennen. Dabei stolperte sie fast über ihr langes Gewand. Sekunden später hatte sie Yasha erreicht, setzte sich auf die Kaimauer und ließ sich neben ihm ins Boot plumpsen. Ihr weiter Umhang wehte dabei über ihrem Kopf. Verdattert starrte Yasha auf das strampelnde Stoffbündel herunter.
Polternd
hasteten chinesische
Marinesoldaten vom Schiff und begannen aufgeregt das Hafengelände zu durchsuchen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie den Flüchtigen entdecken würden. Yasha lief eine Gänsehaut über den Rücken. In was für einen Schlamassel war er jetzt wieder geraten? »Warum verfolgen dich die Männer?«, fragte er und half dem Bündel auf die Beine.
Vorsichtig zog Yasha der kleinen Gestalt den Umhang vom Kopf. Vor ihm stand ein kleiner Junge und lächelte ihn an. Erstaunt musterte Yasha sein Gegenüber. Der Knirps war so gekleidet wie die tibetischen Mönche, die Yasha auf dem Mount Everest getroffen hatte. So etwas wie ein inneres Leuchten ging von dem Jungen aus. Yasha spürte, wie der kleine Mönch eine angenehme Ruhe auf ihn übertrug. Es war ein ähnliches Gefühl, wie er es vorhin in seinem Traum spürte, als seine Eltern ihn umarmten. »Geborgenheit und Zuversicht!«, schoss es Yasha durch den Kopf. In diesem Moment sagte der kleine Mönch erfreut: »Oh, ich kenne dich doch! Du bist Yasha! Erinnerst du dich, ich hatte das Wort Kapilavastu in den Sand geschrieben!« Plötzlich leuchtete ein starker Scheinwerfer auf. Suchend huschte der Lichtkegel über die Kaimauer und blieb am Segelboot hängen. Geblendet schloss Yasha die Augen. Der kleine Tibeter neben ihm stöhnte leise auf.
Es schwankte heftig, als die Uniformierten ins Boot sprangen. Yasha wurde zur Seite gedrängt. Der Spuk dauerte nur wenige Minuten. Fassungslos sah Yasha zu, wie die Chinesen den kleinen Tibeter zurück auf den Dampfer eskortierten. Der letzte
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