Der Talisman
gibt es hier!« Dann fuhr er, leiser, den ihm am nächsten stehenden Jungen an: »Streng dich gefälligst ein bisschen mehr an, Gott hämmere dich.« Dann fuhr er mit seiner Marktschreierei fort.
Ein Farmer, der mit seiner halbwüchsigen Tochter aufkreuzte, hob eine Hand und zeigte dann auf das zweite Fleischstück von links. Die Jungen unterbrachen das Drehen des Spießes gerade so lange, dass ihr Chef eine Scheibe von dem Braten abschneiden und sie auf ein Stück Brot legen konnte. Einer von ihnen lief damit zu dem Farmer, der eines der gegliederten Stäbchen zum Vorschein brachte. Jack beobachtete ihn genau und sah, dass er zwei Glieder abbrach und sie dem Jungen aushändigte. Als der Junge zu der Bude zurücklief, steckte der Kunde sein Stäbchen wieder ein, auf die gleiche automatische, aber sorgfältige Art und Weise, wie jeder Mensch sein Wechselgeld einsteckt. Dann nahm er einen Riesenbissen von dem belegten Brot und reichte den Rest seiner Tochter, die fast ebenso begeistert hineinbiß wie ihr Vater.
Jacks Magen knurrte vernehmlich. Er hatte gesehen, was er sehen musste – er hoffte es zumindest.
»Feines Fleisch! Feines Fleisch! Feines …« Der massige Mann brach ab und blickte auf Jack herab, wobei sich seine buschigen Brauen über Augen zusammenzogen, die klein, aber durchaus nicht einfältig waren.
»Ich höre das Lied, das dein Magen singt, Freund. Wenn du Geld hast, können wir ein Geschäft machen und ich werde dich heute Abend in mein Gebet einschließen. Wenn du keines hast, dann verzieh dich mit deinem blöden Schafsgesicht und scher dich zum Teufel.«
Beide Jungen lachten, obwohl sie offensichtlich erschöpft waren – sie lachten, als hätten sie keine Gewalt über die Laute, die sie hervorbrachten.
Aber der aufreizende Duft des langsam bratenden Fleisches ließ nicht zu, dass er sich entfernte. Er holte das kürzere seiner gegliederten Stäbchen hervor und zeigte auf den zweiten Braten von links. Er sprach kein Wort. Es schien ihm sicherer, es nicht zu tun. Der Händler grunzte, zog wieder sein ungeschlachtes Messer aus dem Gürtel und schnitt eine Scheibe ab – sie war kleiner als die, die er für den Farmer abgeschnitten hatte, stellte Jack fest, aber das scherte seinen Magen wenig; er knurrte wie verrückt in Erwartung dessen, was kommen sollte.
Der Händler legte das Fleisch auf Brot und brachte es ihm selbst, anstatt es einem der Jungen auszuhändigen. Er nahm Jacks Geldstäbchen. Anstelle von zweien brach er drei Glieder davon ab.
In Gedanken hörte er die ironisch belustigte Stimme seiner Mutter: »Herzlichen Glückwunsch, Jacko … du hast dich gerade ausnehmen lassen.«
Der Händler sah ihn an, zeigte grinsend einen Mundvoll erbärmlicher, schwärzlicher Zähne, forderte ihn heraus, etwas zu sagen, sich irgendwie zu beschweren. Du kannst froh sein, dass ich nur drei Glieder genommen habe und nicht alle vierzehn. Das hätte ich ohne weiteres gekonnt. Du könntest ebenso gut ein Schild um den Hals tragen mit der Aufschrift ICH BIN HIER FREMD UND GANZ AUF MICH ALLEIN GESTELLT. Also, was ist, Schafsgesicht – willst du mich zur Rechenschaft ziehen?
Was er wollte, spielte keine Rolle – fest stand, dass er den Mann nicht zur Rechenschaft ziehen konnte. Aber er empfand wieder diese dünne, ohnmächtige Wut.
»Verschwinde«, sagte der Händler, der seiner überdrüssig wurde. Er scheuchte Jack mit seiner großen Hand davon. Seine Finger waren voller Narben, unter den Nägeln saß Blut. »Du hast dein Essen. Und nun verschwinde.«
Ich könnte dir eine Taschenlampe zeigen, dachte Jack, und du würdest davonlaufen, als wären alle Teufel der Hölle hinter dir her. Könnte dir ein Flugzeug zeigen, und du würdest vermutlich den Verstand verlieren. Vielleicht bist du doch nicht ganz so zäh, wie du glaubst.
Er lächelte, und vielleicht war etwas in seinem Lächeln, das dem Fleischhändler nicht gefiel, denn er wich vor Jack zurück. Einen Augenblick lag Unbehagen auf seinem Gesicht, dann zogen sich die buschigen Brauen wieder zusammen.
»Verschwinde, habe ich gesagt!« brüllte er. »Verschwinde, Gott hämmere dich!« Und jetzt verschwand Jack.
2
Das Fleisch war köstlich. Jack schlang es ebenso hinunter wie das Brot, auf dem es lag, und leckte sich dann selbstvergessen den Saft von den Fingern, während er weiterwandelte. Das Fleisch hatte wie Schweinefleisch geschmeckt – und auch wieder nicht. Irgendwie hatte es voller, intensiver geschmeckt. Aber was es auch
Weitere Kostenlose Bücher