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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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Kolben, die er je in seinem Leben gesehen hatte. Außerdem entdeckte er kleine Haufen von verschiedenen Kürbisarten, die er nicht kannte, von denen er aber überzeugt war, dass sie köstlich schmecken müssten. Sein Magen knurrte wütend. Seit er sich auf den Weg gemacht hatte, wusste er, was Hunger war – nicht als flüchtige Bekanntschaft, etwas, das man nach der Schule verspürte und das sich mit ein paar Keksen und einem Glas Milch mit Nesquik aus der Welt schaffen ließ, sondern als vertrauten Freund, der sich gelegentlich ein Stückchen entfernte, ihn aber nur selten ganz verließ.
    Er saß mit dem Rücken zur Fahrtrichtung; seine sandalenbekleideten Füße hingen herunter und berührten fast die festgestampfte Erde der Weststraße. An diesem Morgen herrschte reger Verkehr, und Jack vermutete, dass die meisten Fahrzeuge zum Markt wollten. Hin und wieder rief Henry jemandem, den er kannte, einen Gruß zu.
    Jack überlegte immer noch, wie die Kürbisse schmecken mochten, besonders eine Sorte, die die Farbe von Äpfeln hatte – und wo er seine nächste Mahlzeit herbekommen sollte, als kleine Hände in sein Haar fuhren und daran rissen – so heftig, dass ihm das Wasser in die Augen schoss.
    Er fuhr herum und sah den Dreijährigen dastehen, mit nackten Füßen, ein breites Grinsen auf dem Gesicht und ein paar Strähnen von Jacks Haar in beiden Fäusten.
    »Jason!« rief seine Mutter – aber es war ein gewissermaßen nachsichtiger Ruf (Hast du gesehen, wie er an seinem Haar gezogen hat? So ein starker Junge!) – »Jason, das ist aber gar nicht lieb!«
    Jason grinste unverfroren. Es war ein breites, gedankenloses, strahlendes Grinsen, auf seine Art so süß wie der Duft des Heuschobers, in dem Jack die Nacht verbracht hatte. Er konnte nicht anders, er musste es erwidern – und obwohl er es ohne jede Berechnung und ohne jeden Hintergedanken tat, erkannte er doch, dass er Henrys Frau damit erobert hatte.
    »Sitz«, sagte Jason; er schwankte mit den unbewußten Bewegungen eines erfahrenen Matrosen und grinste Jack weiterhin an.
    »Wie?«
    »Soß.«
    »Ich versteh dich nicht, Jason.«
    »Sitz Soß.«
    »Ich …«
    Und dann ließ sich Jason, der groß und kräftig war für einen Dreijährigen, auf Jacks Schoß plumpsen, noch immer grinsend.
    Sitz Soß, oh ja, jetzt habe ich verstanden, dachte Jack, während der dumpfe Schmerz in seinen Hoden bis in seine Magengrube ausstrahlte.
    »Jason, du Böser!« hei seine Mutter mit der gleichen nachsichtigen und sogar bewundernden Stimme – und Jason, der genau wusste, wer Hahn im Korbe war, grinste sein gedankenloses, süßes und reizendes Grinsen.
    Jack spürte, dass Jason nass war. Sehr, ganz furchtbar, zweifellos nass.
    Willkommen in der Region, Jacko.
    Und als er da saß mit dem Kind in den Armen und warme Feuchtigkeit langsam in seine Kleidung einsickerte, begann Jack zu lachen, das Gesicht zum blauen, blauen Himmel emporgewandt.
     
    3
     
    Ein paar Minuten später bahnte sich Henrys Frau ihren Weg dahin, wo Jack mit dem Kind auf dem Schoß saß, und holte Jason.
    »Oh, hat er sich nassgemacht, der Böse«, sagte sie mit ihrer nachsichtigen Stimme. Kann sich mein Jason nicht fein nassmachen? dachte Jack und lachte wieder. Das brachte Jason zum Lachen, und Mrs. Henry lachte mit ihnen.
    Während sie Jason trockenlegte, stellte sie Jack eine Reihe von Fragen – von der Art, wie er sie in seiner Welt schon oft gehört hatte. Aber hier musste er vorsichtig sein. Er war ein Fremder, und es mochte versteckte Falltüren geben. Er hörte seinen Vater zu Morgan sagen … ein wirklicher fremder, wenn du verstehst, was ich meine.
    Jack spürte, dass der Mann genau zuhörte. Er beantwortete ihre Fragen, indem er seine Geschichte bedachtsam abwandelte nicht die, die er erzählte, wenn er sich um Arbeit bewarb, sondern die, die er erzählte, wenn jemand, der ihn als Anhalter mitgenommen hatte, neugierig wurde.
    Er sagte, er käme aus dem Dorf All-Hands – Jasons Mutter erinnerte sich vage, den Namen schon einmal gehört zu haben, aber das war alles. War er wirklich schon so weit gewandert? wollte sie wissen. Jack sagte, das hätte er getan. Und wo wollte er hin? Er erzählte ihr (und dem schweigend zuhörenden Henry), sein Ziel wäre das Dorf Kalifornien. Davon hatte sie noch nie etwas gehört, nicht einmal in den Geschichten, die gelegentlich auftauchende Hausierer erzählten. Jack war nicht sonderlich überrascht – aber er war froh, dass keiner von beiden sagte:
    »Kalifornien?

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