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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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rochen, waren anscheinend umwerfend komisch.
    »Du musst in den Schuppen, das ist es, woran du dich erinnern musst.«
    »Falsch! Wolf! Du gehst in den Schuppen, Jacky! Jacky geht in den Schuppen! Ich habe mich erinnert! Wolf!«
    Die Augen des Werwolfs wechselten von funkelndem Rotorange zu einem sanften, zufriedenen Purpurton. »Aus dem Buch vom guten Wirtschaften, Jacky. Die Geschichte vom Wolf, der seiner Herde nichts zuleide tun wollte. Erinnerst du dich, Jacky? Die Herde geht in die Scheune. Erinnerst du dich? Das Schloss kommt an die Tür. Wenn der Wolf weiß, dass die Veränderung kommt, geht die Herde in die Scheune und das Schloss kommt an die Tür. Damit er seiner Herde nichts zuleide tut.« Die Kiefer öffneten sich wieder, und die Spitze der langen, dunklen Zunge war hochgerollt und ließ seine Freude erkennen. »Damit er seiner Herde nichts zuleide tut! Wolf! Gleich hier und jetzt!«
    »Du willst mich für drei Tage in den Schuppen einsperren?« fragte Jack.
    »Ich muss essen, Jacky«, sagte Wolf schlicht, und der Junge bemerkte, dass sich Wolfs Augen wieder veränderten und etwas Dunkles, Flüchtiges und Unheimliches auf ihn zuglitt. »Wenn der Mond mich mitnimmt, muss ich essen. Gute Gerüche hier, Jacky. Viel zu essen für Wolf. Wenn der Mond mich loslässt, kommt Jacky aus dem Schuppen heraus.«
    »Und was passiert, wenn ich mich nicht für drei Tage einsperren lassen will?«
    »Dann wird Wolf Jacky töten. Und dann ist Wolf verdammt.«
    »Und das steht alles im Buch vom guten Wirtschaften!«
    Wolf nickte mit dem Kopf. »Ich habe daran gedacht. Ich habe rechtzeitig daran gedacht, Jacky. Als ich auf dich wartete.«
    Jack versuchte noch immer, sich an Wolfs Idee zu gewöhnen. Er würde drei Tage ohne Nahrung auskommen müssen. Wolf würde nach Belieben herumwandern können. Er würde im Gefängnis sitzen, und Wolf gehörte die Welt. Dennoch war es wohl die einzige Möglichkeit, Wolfs Verwandlung zu überleben. Wenn er die Wahl hatte zwischen dreitägigem Fasten oder dem Tod, dann zog er den leeren Magen vor. Und dann kam Jack plötzlich der Gedanke, dass der Rollentausch im Grunde gar kein Rollentausch war – er würde, obwohl in den Schuppen eingesperrt, nach wie vor frei sein, und Wolf draußen in der Welt war nach wie vor ein Gefangener. Sein Gefängnis würde nur größer sein als sein eigenes. »Dann möge der Himmel das Buch vom guten Wirtschaften segnen; ich selbst nie wäre nie darauf gekommen.«
    Wolf funkelte ihn wieder an und blickte dann sehnsüchtig zum Himmel empor. »Dauert nicht mehr lange, Jacky. Du bist die Herde. Ich muss dich einsperren.«
    »Okay«, sagte Jack. »Das wirst du wohl müssen.«
    Auch das kam Wolf ungeheuer komisch vor. Während das heulende Lachen aus ihm hervorbrach, schlang er einen Arm um Jacks Taille, hob ihn hoch und trug ihn quer über das ganze Feld. »Wolf sorgt für dich, Jacky«, sagte er, nachdem er fast sein Innerstes nach außen geheult hatte. Am oberen Rand der Mulde setzte er Jack sanft ab.
    »Wolf«, sagte Jack.
    Wolf öffnete die Kiefer und rieb sich die Leisten.
    »Du darfst keine Leute töten, Wolf«, sagte Jack. »Denk daran. Wenn du dich an die Geschichte erinnern konntest, kannst du dich auch daran erinnern, dass du keine Leute töten darfst. Wenn du es tust, machen sie Jagd auf dich. Wenn du Leute tötest, wenn du auch nur einen Menschen tötest, dann machen viele Leute Jagd auf dich und töten dich. Und sie bekommen dich, Wolf, das kann ich dir versichern. Sie werden deine Haut auf ein Brett nageln.«
    »Keine Leute, Jacky. Tiere riechen besser als Leute. Keine Leute! Wolf!«
    Sie kletterten den Abhang hinunter in die Mulde. Jack holte das Schloss aus der Tasche, hängte es mehrere Male in den Metallring an der Tür ein und zeigte Wolf, wie er den Schlüssel benutzen musste. »Und dann schiebst du den Schlüssel unter der Tür durch, okay?« fragte er. »Wenn du dich wieder zurückverwandelt hast, schiebe ich ihn wieder heraus.« Jack warf einen Blick auf die Unterkante der Tür – zwischen ihr und dem Erdboden klaffte ein fünf Zentimeter breiter Spalt.
    »Klar, Jacky. Du schiebst ihn wieder heraus.«
    »So, und was tun wir jetzt?« fragte Jack. »Soll ich gleich in den Schuppen gehen?«
    »Setz dich dorthin«, sagte Wolf und deutete auf eine etwa einen halben Meter von der Tür entfernte Stelle auf dem Fußboden des Schuppens.
    Jack sah ihn fragend an, dann trat er in den Schuppen und setzte sich. Wolf hockte sich unmittelbar vor der

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