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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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Maschinenpistolen und Handgranaten. Sicher, wir haben seinen Zug entführt und sind dem Fahrplan um zehn oder zwölf Stunden voraus, aber wenn wir auf ein Lager voller Wölfe stoßen, die darauf warten, den Regions-Express zu besteigen – und ich vermute, dass genau dies passieren wird –, brauchen wir jede Spur von Überraschung, die wir ihnen bereiten können.
    Jack fuhr sich mit der Hand über die Schläfe.
    Es wäre einfacher, den Zug ein gutes Stück von dem Ort entfernt zum Stehen zu bringen, an dem sich Morgans Miliz aufhielt, und einen großen Bogen um das Lager zu machen. Einfacher und auch sicherer.
    Aber damit wäre das Problem der bösen Wölfe nicht gelöst, Richie – kannst du mir folgen?
    Er warf einen Blick auf das Arsenal auf dem Boden des Führerhauses und fragte sich, ob er tatsächlich einen Kommandoüberfall auf Morgans Wolfsbrigade plante. Ein schönes Kommando stellten sie dar – der gute alte Jack Sawyer, König der vagabundierenden Tellerwäscher, und sein verschlafener Kumpan Richard. Jack fragte sich, ob er den Verstand verloren hatte. Vermutlich war es so, denn genau das plante er – es würde das sein, womit sie am allerwenigsten rechneten … und es hatte sich zu viel angesammelt, allzu viel, eine verdammte Menge zu viel. Er war gepeitscht worden. Wolf war getötet worden. Sie hatten Richards Schule vernichtet und den größten Teil von Richards geistiger Gesundheit, und womöglich saß Morgan Sloat in New Hampshire und quälte seine Mutter.
    Verrückt oder nicht, die Zeit des Heimzahlens war gekommen.
    Jack bückte sich, hob eine der geladenen Uzis auf und hielt sie im Arm, während die Schienen vor ihm abrollten und der Salzgeruch ständig stärker wurde.
     
    5
     
    In den frühen Morgenstunden schlief Jack eine Weile, doch als es dämmerte, weckte Richard ihn auf.
    »Vor uns ist etwas.«
    Bevor er dorthin schaute, warf er einen prüfenden Blick auf Richard. Er hatte gehofft, dass Richard bei Tageslicht besser aussehen würde, aber nicht einmal die Kosmetik der Dämmerung konnte die Tatsache bemänteln, dass Richard krank war. Das Licht des neuen Tages hatte die Farbe seiner Haut von Grau in Gelb verwandelt – das war alles.
    »He! Zug! Hallo, großer Scheißzug!« Der Ruf war guttural, eher ein tierisches Röhren. Jack blickte wieder nach vorn.
    Sie näherten sich einem schmalen, kleinen Unterstand vor einem Zaun, der sich quer vor ihnen durchs Land zog. Die Schienen führten durch eine Lücke im Zaun. Die Zaunpfähle, ungefähr anderthalb Meter voneinander entfernt und mit offenbar selbstgefertigtem Stacheldraht verbunden, wirkten wie schiefe, hölzerne Zähne im schwarzen Kiefer der Erde.
    Vor dem Wachhäuschen stand ein Wolf – aber das einzige, worin er Jacks Wolf ähnelte, waren die orangefarben funkelnden Augen. Der Kopf dieses Wolfes war widerlich flach; er sah aus, als hätte jemand die Rundung seines Schädels mit einer Sense abgemäht. Das Gesicht schien über seinen herabhängenden Kiefer vorzuragen wie ein über einem Steilhang schwankender Felsbrocken. Selbst die freudige Überraschung, die jetzt auf diesem Gesicht lag, konnte seine dumpfe, brutale Stupidität nicht überdecken. In Zöpfe geflochtenes Haar hing von seinen Wangen herab, und eine Narbe in Form eines X verunstaltete seine Stirn.
    Der Wolf trug eine Art Söldneruniform – jedenfalls stellte sich Jack vor, dass so eine Söldneruniform aussehen musste. Eine weite grüne Hose fiel über schwarze Stiefel – aber die Kappen der Stiefel waren, wie Jack bemerkte, abgeschnitten, um für die haarigen, langen Klauen des Wolfes Platz zu schaffen.
    »Zug!« bellte er, als die Lokomotive die letzten fünfzig Meter zurücklegte. Er begann in die Luft zu springen, grinste einfältig, schnippte mit den Fingern. Schaum flog in widerwärtigen Fetzen aus seinem Rachen. »Zug! Zug! Scheißzug, GLEICH HIER UND JETZT!« Sein Maul spaltete sich zu einem breiten, widerwärtigen Grinsen und entblößte zwei Reihen abgebrochener gelber Speere. »Seid ein bisschen früh dran, okay, okay!«
    »Jack, was ist das?« fragte Richard. Seine Hand krallte sich in Jacks Schulter, aber seine Stimme klang, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, halbwegs normal.
    »Ein Wolf. Einer von Morgans Wölfen.«
    Oh, Jack, du Rindvieh – du hast den Namen genannt!
    Aber jetzt war nicht die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Sie waren neben dem Wachhäuschen angelangt, und der Wolf hatte offensichtlich vor, aufzuspringen. Er machte

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