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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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und Jack hatte gerade noch Zeit, sich zu fragen, ob er nicht vielleicht eine Riesendummheit beging.
    »Duck dich, Kumpel!«
    »Nenn mich nicht K …«
    Der Zug prallte gegen das Tor und schleuderte sie beide vorwärts.
     
    7
     
    Das Tor war wirklich sehr solide und überdies an der Innenseite mit zwei großen Balken verriegelt. Morgans Zug war nicht sonderlich groß, und die Batterien waren nach der langen Fahrt durch das Verheerte Land fast leer. Der Anprall hätte den Zug gewiss entgleisen lassen und beide Jungen das Leben gekostet, hätte das Tor nicht eine Achillesferse gehabt. Nach dem neuesten Stand der amerikanischen Technik hergestellte Angeln waren bestellt, aber noch nicht eingetroffen, und die alten Eisenangeln zerbrachen, als der Zug gegen das Tor prallte.
    Der Zug rollte mit einer Geschwindigkeit von etwa vierzig Stundenkilometern auf das eingezäunte Gelände und schob das aus den Angeln gerissene Tor vor sich her. Hinter dem Palisadenzaun war ein Hinderniskurs aufgebaut, und das Tor stieß, einem Schneepflug vergleichbar, gegen primitive hölzerne Hürden, kippte sie um, schob sie vor sich her, machte Kleinholz aus ihnen.
    Außerdem prallte es gegen einen Wolf beim Strafexerzieren. Seine Füße verschwanden unter der Kante des wandernden Tores und wurden abgerissen, mitsamt den kappenlosen Stiefeln. Sofort setzte seine Verwandlung ein, und schreiend und knurrend begann der Wolf, mit Klauen, die rasch die Länge und Schärfe der Steigeisen eines Telegraphenarbeiters erreichten, an dem Tor hochzuklettern, das jetzt bereits eine Strecke von etwa zwölf Metern zurückgelegt hatte. Erstaunlicherweise gelangte er fast bis an die Oberkante des Tores, bevor Jack auf Neutral schaltete. Der Zug blieb stehen. Das Tor stürzte um, wirbelte eine gewaltige Staubwolke auf und zermalmte den unglücklichen Wolf. Unter dem letzten Wagen des Zuges wuchs das Haar an den abgerissenen Füßen des Wolfes noch mehrere Minuten lang weiter.
    Die Verhältnisse innerhalb des Lagers waren besser, als Jack zu hoffen gewagt hatte. Wie in allen militärischen Lagern begann auch hier der Tag offensichtlich sehr früh, und der größte Teil der Truppen schien draußen zu sein, wahrscheinlich vollauf mit Exerzieren beschäftigt.
    »Nach rechts!« rief er Richard zu.
    »Was soll ich?« rief Richard zurück.
    Jack öffnete den Mund und schrie alles heraus: für Onkel Tommy Woodbine, auf der Straße überfahren; für einen namenlosen Kutscher, in einem schlammigen Hof zu Tode gepeitscht; für Ferd Janklow; für Wolf, erschossen in Sunlight Gardeners Büro; für seine Mutter; aber vor allem, stellte er fest, für Königin Laura DeLoessian, die gleichfalls seine Mutter war, und für die Verbrechen, die an der Region begangen wurden. Er schrie es heraus als Jason, und seine Stimme war wie Donner.
    »REISS SIE IN STÜCKE!« brüllte Jack Sawyer/Jason DeLoessian und eröffnete das Feuer nach links.
     
    8
     
    Auf Jacks Seite lag ein unebener Exerzierplatz, auf Richards Seite ein lang gestrecktes Blockhaus. Das Blockhaus ähnelte einer Arbeiterbaracke aus einem Roy Rogers-Film, aber Richard vermutete, dass es als Kaserne diente. Auf Richard wirkte der ganze Ort vertrauter als alles, was ihm bisher von dieser seltsamen Welt, in die Jack ihn mitgenommen hatte, begegnet war. Orte wie diesen hatte er in den Fernsehnachrichten schon öfters gesehen. An Orten wie diesem trainierten von der CIA unterstützte Rebellen, um eines Tages in einem süd- oder mittelamerikanischen Staat die Macht zu ergreifen. Allerdings lagen diese Trainingslager gewöhnlich in Florida, und die Geschöpfe, die hier aus der Kaserne strömten, waren keine Cubanos – was sie waren, wusste Richard nicht zu sagen.
    Einige von ihnen glichen Teufeln und Satyrn auf mittelalterlichen Gemälden. Einige sahen aus wie degenerierte menschliche Wesen – fast wie Höhlenmenschen. Eines der Geschöpfe, das in das frühmorgendliche Sonnenlicht heraustorkelte, war mit Schuppen bedeckt und hatte Nickhäute – Richard kam es vor wie ein Alligator, der es irgendwie geschafft hat, sich aufzurichten. Noch während er hinschaute, öffnete das Ding sein Maul und stieß den Schrei aus, den er und Jack schon einmal gehört hatten: Gruuu-UUUU! Er konnte gerade noch feststellen, dass die meisten dieser Ausgeburten der Hölle völlig fassungslos wirkten; dann zerriss das Knattern von Jacks Uzi die Welt.
    Auf Jacks Seite hatten rund zwei Dutzend Wölfe auf dem Exerzierplatz Freiübungen gemacht. Wie

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