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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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sicher, dass du trotzdem weitermachst, besagte diese Resignation, von bloßem Unsinn bis zu regelrechter Verrücktheit. Nach Seabrook Island alles einsteigen!
    »Er kann nicht hinein. Das heißt, Morgan von Kalifornien kann nicht hinein, und weißt du, warum? Weil Morgan von Orris nicht hineinkann. Und Morgan von Orris kann es nicht, weil Morgan von Kalifornien es nicht kann. Wenn einer von ihnen nicht in seine Version des schwarzen Hotels hineinkann, dann kann es keiner von beiden. Verstehst du?«
    »Nein.«
    »Zwei Morgans oder Dutzende, es spielt keine Rolle. Zwei Lilys oder Dutzende – Dutzende von Königinnen in Dutzenden von Welten, stell dir das vor, Richard! Kannst du dir das vorstellen? Dutzende von schwarzen Hotels – in einer anderen Welt ist es vielleicht ein schwarzer Vergnügungspark oder eine schwarze Wohnwagenkolonie oder was auch immer. Aber, Richard …«
    Er brach ab, fasste Richard bei den Schultern und sah ihn mit funkelnden Augen an. Einen Augenblick lang versuchte Richard, sich abzuwenden, dann ließ er es, von der Leidenschaft in Jacks Gesicht gebannt. Plötzlich, einen Moment lang, hielt Richard das alles für möglich. Plötzlich, einen Moment lang, fühlte er sich geheilt.
    »Was?« flüsterte er.
    »Manche Dinge sind nicht ausgeschlossen. Manche Menschen sind nicht ausgeschlossen. Sie sind – ja – einmalig. Das ist der einzige Grund, den ich mir vorstellen kann. Sie sind wie der Talisman. Es gibt sie nur einmal. Wie mich. Ich hatte einen Twinner, aber der ist gestorben. Nicht nur in der Welt der Region, sondern in allen Welten außer dieser. Ich weiß es – ich fühle es. Und mein Dad wusste es auch. Ich glaube, deshalb nannte er mich Travelling Jack. Wenn ich hier bin, bin ich nicht dort. Wenn ich dort bin, bin ich nicht hier. Und bei dir, Richard, ist es ebenso !«
    Richard starrte ihn sprachlos an.
    »Du erinnerst dich nicht, weil du regelrecht abgeschaltet hattest, als ich mich mit Anders unterhielt. Aber er sagte, Morgan von Orris hätte einen Sohn gehabt. Rushton. Weißt du, was er war?«
    »Ja«, flüsterte Richard. Er war immer noch außerstande, den Blick von Jack abzuwenden. »Er war mein Twinner.«
    »So ist es. Und Anders sagte, er wäre schon als kleines Kind gestorben. Der Talisman ist einmalig. Wir sind einmalig. Ich habe Morgan von Orris in der anderen Welt gesehen – er ähnelt deinem Vater, aber er ist nicht dein Vater. Er konnte nicht in das schwarze Hotel eindringen, und er kann es nach wie vor nicht. Aber er weiß, dass du einmalig bist, ebenso wie er weiß, dass ich es bin. Er möchte mich umbringen. Aber dich braucht er auf seiner Seite. Denn wenn er zu dem Schluss kommt, dass er den Talisman doch haben will, kann er jederzeit dich hineinschicken, damit du ihn herausholst, nicht wahr?«
    Richard begann zu zittern.
    »Aber das braucht uns nicht zu kümmern«, sagte Jack ingrimmig. »Wir holen ihn heraus, aber er bekommt ihn nicht in die Finger.«
    »Jack, ich glaube nicht, dass ich in das Haus hineingehen kann«, sagte Richard, aber er flüsterte die Worte so leise und kraftlos, dass Jack, der bereits weitergegangen war, sie nicht hörte.
    Richard bemühte sich, ihn einzuholen.
     
    12
     
    Die Unterhaltung geriet ins Stocken. Der Mittag kam und ging. Der Wald war sehr stumm geworden, und zweimal hatte Jack Bäume mit seltsam knorrigen Stämmen und verworrenen Wurzeln dicht neben den Schienen gesehen. Die Bäume gefielen ihm nicht. Sie kamen ihm bekannt vor.
    Richard, der zugesehen hatte, wie die Schwellen unter seinen Füßen verschwanden, stolperte schließlich, fiel vornüber und schlug auf den Kopf. Danach trug Jack ihn wieder auf dem Rücken.
    Nach einer Zeit, die Jack wie eine Ewigkeit vorkam, rief Richard: »Da, Jack!«
    Vor ihnen verschwanden die Schienen in einem alten Eisenbahnschuppen. Die Türen standen offen und gaben den Blick frei auf eine verschattete Dunkelheit, öde und mottenzerfressen. Hinter dem Schuppen (der einst vielleicht so einladend gewesen war, wie Richard erzählt hatte; jetzt kam er Jack unheimlich vor) lag eine Straße – Highway 101, vermutete Jack.
    Und dahinter der Ozean – er konnte das Tosen der Brandung hören.
    »Ich glaube, wir sind da«, sagte er mit trockenem Mund.
    »Fast«, sagte Richard. »Bis nach Point Venuti sind es noch ungefähr anderthalb Kilometer. Gott, ich wollte, wir brauchten nicht dorthin. -Jack? Wohin gehst du?«
    Aber Jack sah sich nicht um. Er stieg vom Gleiskörper herunter, machte einen großen

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