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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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erst in die Suite zurückkehren, wenn sie sicher war, ihn nicht mehr anzutreffen; wenn sie ihn jetzt sähe, würde sie ihm befehlen hier zu bleiben. Er konnte sich nicht von diesen drei Räumen verabschieden wie von einem Haus, das er geliebt hatte; Hotelzimmer nehmen Abschiede gefühllos hin. Schließlich ging er zum Telefonblock, dessen eierschalendünne Blätter mit einer Zeichnung des Hotels bedruckt waren, und schrieb mit dem stumpfen Bleistift des Alhambra die drei Zeilen, die fast alles ausdrückten, was er zu sagen hatte:
     
    Ich liebe dich und komme wieder
    Danke
     
    4
     
    Jack wanderte in der dünnen nördlichen Sonne die Boardwalk Avenue entlang und suchte nach dem geeigneten Ort zum Flippen. Das war das Wort dafür. Und sollte er Speedy noch einmal sehen, bevor er in die Region hinüber»flippte«? Eigentlich musste er noch einmal mit Speedy reden; schließlich wusste er kaum, wo er hingehen sollte, wem er begegnen würde, wonach er suchte … wie eine Kristallkugel sieht er aus. War das alles, was Speedy ihm an Informationen über den Talisman mitgeben wollte? Das und die Ermahnung, ihn nicht fallenzulassen? Bei dem Gedanken, wie miserabel er vorbereitet war, wurde ihm fast schlecht – es war, als müsste er eine Abschlussprüfung für einen Kurs ablegen, den er nie besucht hatte.
    Außerdem war ihm, als könnte er gleich da flippen, wo er sich befand, er war ungeduldig, wollte aufbrechen, anfangen, sich in Bewegung setzen. Es zog ihn in die Region zurück, begriff er plötzlich; dieser Faden hob sich deutlich aus dem Wirrwarr seiner Gefühle und Sehnsüchte heraus. Er wollte diese Luft atmen; er hungerte nach ihr. Die Region, die weiten Ebenen und die Ketten niedriger Berge riefen ihn, die Felder mit hohem Gras und die Flüsse, die zwischen ihnen leuchteten. Jacks ganzer Körper verlangte nach dieser Landschaft. Und er hätte auf der Stelle die Flasche aus der Tasche gezogen und einen Mundvoll von dem widerlichen Saft durch seine Kehle gezwungen, wenn er nicht in diesem Augenblick den früheren Besitzer der Flasche entdeckt hätte, der mit angezogenen Beinen und über den Knien verschränkten Händen an einem Baum saß. Neben ihm stand eine braune Einkaufstüte, auf der ein riesiges Sandwich lag, anscheinend Leberwurst und Zwiebel.
    »Du bist also bereit«, sagte Speedy und lächelte zu ihm empor. »Ich sehe, du willst dich auf den Weg machen. Hast du dich verabschiedet? Deine Mutter weiß, dass du eine Weile fort sein wirst?«
    Jack nickte, und Speedy streckte ihm das Sandwich entgegen. »Hast du Hunger? Nimm dies, es ist mir zuviel.«
    »Ich habe gerade gegessen«, sagte der Junge. »Aber ich bin froh, dass ich Ihnen auf Wiedersehen sagen kann.«
    »Jack brennt lichterloh, er brennt darauf zu gehen«, sagte Speedy und neigte den Kopf zur Seite. »Der Junge macht sich auf den Weg.«
    »Speedy?«
    »Aber geh nicht ohne ein paar Kleinigkeiten, die ich dir mitgebracht habe. Sie sind hier in dieser Tüte. Willst du sie sehen?«
    »Speedy?«
    Der Mann blinzelte, an den Baumstamm gelehnt, zu Jack empor.
    »Wussten Sie, dass mein Vater mich Travelling Jack genannt hat?«
    »Oh, vielleicht habe ich es irgendwo gehört«, sagte Speedy und grinste ihn an. »Komm her und schau dir an, was ich dir mitgebracht habe.
    Außerdem muss ich dir ja wohl sagen, wo du zuerst hingehen sollst, oder?«
    Erleichtert ging Jack über den Gehsteig auf Speedys Baum zu. Der alte Mann legte das Sandwich in seinen Schoß und zog die Einkaufstüte näher zu sich heran. »Fröhliche Weihnachten«, sagte er und brachte ein großes, mitgenommen aussehendes Taschenbuch zum Vorschein. Jack sah, dass es ein alter Rand McNally-Straßenatlas war.
    »Danke«, sagte er und nahm das Buch aus Speedys ausgestreckter Hand entgegen.
    »Da drüben gibt es keine Karten, also halte dich, soweit es geht, an die Straßen im alten Rand McNally. Dann kommst du dahin, wo du hin willst.«
    »Okay«, sagte Jack und ließ den Rucksack von den Schultern gleiten, um das große Buch hineinstecken zu können.
    »Und was jetzt kommt, das brauchst du nicht in das komische Ding zu stecken, das du da auf dem Rücken trägst«, sagte Speedy. Er legte das Sandwich auf die flache Papiertüte und stand mit einer einzigen, fließenden Bewegung auf. »Nein, das passt in deine Tasche.« Er steckte die Finger in die linke Tasche seines Arbeitshemdes. Was zum Vorschein kam, zwischen Zeige- und Mittelfinger eingeklemmt wie eine von Lilys Tarrytoons, war ein weißer,

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