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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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der Welt. Verlass dich auf deinen Vater.«
    Der Kauf des Hauses war deshalb besonders einträglich gewesen, weil Sloat immer bereit war, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Nachdem er und Sawyer die Bedingungen eines kurzfristigen und anschließend (nach einer Salve von Prozessen) eines langfristigen Pachtvertrags ausgehandelt hatten, hatten sie die Mieten pro Quadratmeter kräftig angehoben, die notwendigen Änderungen vorgenommen und eine Annonce nach neuen Mietern aufgegeben. Der einzige alte Mieter war ein chinesisches Restaurant im Erdgeschoß; die Chinesen zahlten kaum ein Drittel dessen, was die Räume wert waren. Sloat hatte versucht, vernünftig mit ihnen zu reden, aber als sie begriffen hatten, dass er versuchte, sie zum Zahlen einer höheren Miete zu bewegen, verloren sie plötzlich die Fähigkeit, Englisch zu sprechen oder zu verstehen. Sloats Verhandlungsversuche schleppten sich ein paar Tage hin. Dann sah er zufällig, wie eine Küchenhilfe einen Eimer voll Fett durch die Hintertür der Küche hinaustrug. Interessiert folgte Sloat dem Mann in eine dunkle, enge Sackgasse und beobachtete, wie er das Fett in eine Mülltonne kippte. Mehr brauchte er nicht. Einen Tag später trennte ein Maschendrahtzaun die Sackgasse vom Restaurant; einen weiteren Tag später überbrachte ein Inspektor des Gesundheitsamtes den Chinesen eine Beschwerde und eine Vorladung. Jetzt musste die Küchenhilfe sämtliche Abfälle einschließlich des Fettes durch den Speisesaal hinaustragen und in eine Art Hundezwinger vor dem Restaurant bringen, den Sloat gleichfalls aus Maschendraht hatte errichten lassen. Das Geschäft flaute ab; die unangenehmen Gerüche aus den nahen Mülltonnen irritierten die Gäste. Die Besitzer entdeckten ihre englischen Sprachkenntnisse wieder und boten eine Verdoppelung ihrer monatlichen Zahlung an. Sloat reagierte mit einigen dankbaren Worten, die nichts besagten. Am selben Abend brachte er sich mit drei großen Martinis in die richtige Verfassung, fuhr zu dem Restaurant, holte einen Baseballschläger aus dem Kofferraum und zertrümmerte die große Fensterscheibe, die einst einen interessanten Ausblick auf die Straße geboten hatte, jetzt aber auf einen Korridor aus Maschendraht hinausging, an dessen Ende ein wüster Haufen Mülltonnen stand.
    Das alles hatte er getan – aber er war nicht eigentlich Sloat gewesen, als er es tat.
    Am nächsten Morgen baten die Chinesen um ein weiteres Gespräch; diesmal erklärten sie sich bereit, die vierfache Miete zu zahlen. »Jetzt redet ihr wie vernünftige Menschen«, sagte Sloat zu den ausdruckslos dreinblickenden Chinesen. »Und wisst ihr was? Um zu beweisen, dass wir alle in einem Boot sitzen, übernehme ich die Hälfte der Kosten für eine neue Scheibe.«
    Neun Monate, nachdem Sawyer & Sloat das Gebäude erworben hatte, waren alle Mieten beträchtlich gestiegen, und die ursprüngliche Kalkulation über Kaufpreis und zu erwartende Profite erwies sich als viel zu pessimistisch. Jetzt gehörte dieses Gebäude zu den eher bescheidenen Transaktionen von Sawyer & Sloat, aber Morgan Sloat war ebenso stolz darauf wie auf die gewaltigen Neubauten, die sie im Geschäftsviertel der Stadt errichtet hatten. Schon das Passieren der Stelle, an der er den Zaun hatte errichten lassen, erinnerte ihn täglich daran, wie viel Sawyer & Sloat ihm zu verdanken hatte – und wie gerechtfertigt seine Ansprüche waren.
    Dieses Gefühl, dass das, was er wollte, nur recht und billig war, flackerte in ihm, als er mit Richard sprach – schließlich wollte er Phil Sawyers Anteil an der Firma um Richards willen übernehmen. Richard war in gewisser Hinsicht seine Unsterblichkeit. Sein Sohn würde in der Lage sein, die besten Handelsakademien zu besuchen und Jura zu studieren, bevor er in die Firma eintrat; und dann würde Richard Sloat, bestens gerüstet, die komplizierte und empfindliche Maschinerie von Sawyer & Sloat ins nächste Jahrhundert lenken. Der lächerliche Ehrgeiz seines Sohnes, Chemiker zu werden, konnte die Entschlossenheit seines Vaters nicht lange überleben – Richard war intelligent genug, um einzusehen, dass das, was sein Vater tat, entschieden interessanter – um nicht zu sagen, entschieden einträglicher – war als das Hantieren mit einem Testkolben über einem Bunsenbrenner. Wenn der Junge erst einmal einen Blick in die wirkliche Welt getan hatte, würde dieser Unfug mit dem »Forschungschemiker« schnell genug verfliegen. Und wenn Richard sich Gedanken machte, ob er

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