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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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(Morgans Wagen, ein weiteres Beispiel dafür, wie viel Sawyer ihm schuldete) nach Los Angeles, eröffneten in einem Gebäude in North Hollywood ein von Ratten und Flöhen bevölkertes Büro und begannen, sich in den Klubs herumzutreiben und ihre brandneuen Geschäftskarten zu verteilen. Nichts – fast vier Monate völlige Pleite. Sie hatten einen Komiker, der zu viel trank, um noch komisch sein zu können, einen Schriftsteller, der nicht schreiben konnte, eine Stripperin, die darauf bestand, bar bezahlt zu werden, damit sie ihre Agenten übers Ohr hauen konnte. Und dann hatte Phil Sawyer, high von Marihuana und Whiskey, Sloat eines Nachmittags kichernd von der Region erzählt.
    »Weißt du, was ich kann, du ehrgeiziger Niemand? Ich kann wandern, Partner. Hin und zurück.«
    Kurze Zeit später, als sie beide wanderten, lernte Phil Sawyer auf einer Studioparty eine vielversprechende junge Schauspielerin kennen, und binnen einer Stunde hatten sie ihre erste wichtige Klientin. Und sie hatte drei Freundinnen, die mit ihren Agenten ebenso unzufrieden waren.
    Und eine der Freundinnen hatte einen Freund, der tatsächlich ein anständiges Drehbuch geschrieben hatte und einen Agenten brauchte, und der Freund hatte wieder einen Freund … Bevor das dritte Jahr um war, hatten sie ein neues Büro, neue Wohnungen, eine Scheibe vom großen Hollywood-Kuchen. Auf eine Art, die Sloat akzeptierte, aber nie begriff, hatte die Region ihnen Glück gebracht.
    Sawyer kümmerte sich um die Klienten, Sloat um das Geld, die Anlagen, die geschäftliche Seite der Agentur. Sawyer gab Geld aus – für Essen, Flugtickets –, Sloat sparte es, und das genügte ihm als Rechtfertigung dafür, dass er ein bisschen von der Sahne abschöpfte. Und es war Sloat, der ständig in neue Bereiche drängte, Landkäufe, Grundstücksgeschäfte, Industriebeteiligungen. Als Tommy Woodbine nach Los Angeles kam, war aus Sawyer & Sloat ein Fünf-Millionen-Dollar-Unternehmen geworden.
    Sloat stellte fest, dass er seinen früheren Kommilitonen noch immer verabscheute. Tommy Woodbine hatte fünfzehn Kilo zugenommen und wirkte und benahm sich in seinem blauen Anzug mit Weste mehr denn je wie ein Richter. Seine Wangen waren immer leicht gerötet (von Alkohol? fragte sich Sloat), sein Wesen nach wie vor umgänglich und etwas gespreizt. Die Welt hatte ihre Spuren an ihm hinterlassen – schlaue Fältchen um die Augenwinkel, die Augen selbst unendlich mehr auf der Hut als die des Goldjungen in Yale. Sloat erkannte sofort – und wusste, dass Phil Sawyer es nicht bemerken würde, wenn man es ihm nicht sagte –, dass Tommy Woodbine mit einem großen Geheimnis lebte: was immer der Goldjunge gewesen sein mochte – jetzt war Tommy Woodbine ein Homosexueller. Und das machte alles leichter – es machte es zuguterletzt auch leichter, Tommy loszuwerden.
    Schließlich werden Schwule immer umgebracht, oder? Und konnte jemand tatsächlich wollen, dass eine Hundertkilo-Tunte für die Erziehung eines heranwachsenden Jungen verantwortlich war? Man könnte es so ausdrücken, dass Sloat seinen Partner lediglich vor den postumen Konsequenzen eines schwerwiegenden Mangels an Urteilsvermögen bewahrte. Wenn Sawyer Sloat zum Testamentsvollstrecker und zum Vormund seines Sohnes bestellt hätte, hätte es überhaupt keine Probleme gegeben. Doch so waren die Mörder aus der Region – die beiden Männer, die auch die Entführung des Jungen verpfuscht hatten – bei Rot über eine Kreuzung gebraust; sie wären beinahe verhaftet worden, bevor sie nach Hause zurückkehren konnten.
    Alles wäre wesentlich einfacher gewesen, überlegte Sloat vielleicht zum tausendsten Mal, wenn Phil Sawyer nicht geheiratet hätte. Ohne Lily kein Jack; ohne Jack keine Probleme. Möglicherweise hatte Phil nicht einmal einen Blick auf die Berichte über Lily Cavanaughs Vorleben geworfen, die Sloat zusammengetragen hatte: in ihnen stand, wo und wie oft und mit wem, und sie hätten dieser Romanze ebenso mühelos den Garaus machen können, wie der schwarze Lieferwagen Tommy Woodbine in einen Haufen auf der Straße verwandelt hatte. Doch obwohl Phil Sawyer diese detaillierten Berichte las, machten sie erstaunlicherweise keinerlei Eindruck auf ihn. Er wollte Lily Cavanaugh heiraten, und er tat es. Und sein verdammter Twinner hatte Königin Laura geheiratet. Wieder eine Unterschätzung. Und auf die gleiche Weise heimgezahlt; es schien nur angemessen.
    Und das hieß, dachte Sloat befriedigt, dass alles endlich geregelt sein

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