Der Tanz der besseren Gesellschaft (German Edition)
zugleich als Nobelmann und gern gesehenem Stammgast huldigte.
„Meine Verehrung, Herr Baron“, sagte der Mann. „Willkommen in unserem Haus. Leider kann ich Ihnen dieses Mal nicht Ihr übliches Zimmer anbieten, weil es bereits anderweitig vergeben worden ist. Ein nicht minder bequemes mit schönster Aussicht stünde jedoch zur Verfügung, es liegt allerdings in der zweiten Etage.“
„Das Stockwerk spielt doch gar keine Rolle, Johann. Wie Sie wissen, benötige ich das Zimmer ausschließlich für die Nachtruhe – und nicht selten nicht einmal dazu“, fügte der Baron lächelnd hinzu.
Johann, der Zimmerkellner, erwiderte das Lächeln, machte kehrt und ging dem Baron voran, um ihn zum empfohlenen Zimmer zu geleiten. Er bewegte sich dabei mit der für seinen Berufsstand so typischen diskreten, geräuschlosen Anmut über die teppichbelegten Stufen, dass er ein wenig den Eindruck erweckte als schwebte er.
Beim Zimmer angekommen öffnete Johann dem Baron die Tür und ließ ihm höflich den Vortritt. Hermann trat schwungvoll ein und warf mit geübter Lässigkeit seinen Hut in hohem Bogen auf das Bett, während der Kellner den Trenchcoat sorgsam an einen Kleiderbügel hängte und die kleine Tasche neben das Bett auf den Boden stellte.
Hermann trat ans Fenster und blickte einen Moment auf die Straße und die Fenster gegenüber. Einige Sekunden lang herrschte völlige Stille.
“Wünschen der Herr Baron noch etwas?“ sprach Johann ihn danach respektvoll an.
P. wandte sich zu dem Mann um und winkte ab. Dann schlich sich doch ein neugieriger Funke in seinen Blick und er fragte: „Gibt es neue – Sachen?“
Johann verzog seine Mundwinkel geringfügig zur Andeutung eines wissenden Lächelns.
„Selbstverständlich, Herr Baron!“ sagte er. „Wenn Ihr gestattet, lege ich euch sogleich das Album vor.“
Der neugierige Funke in Hermann Augen verwandelte sich in ein Blitzen. „Nun, wenn es der Mühe wert ist,“ meinte er und schaffte es dabei, sich in seiner Stimme nichts von seiner aufkommenden vorfreudigen Unruhe anmerken zu lassen.
Der Bedienstete verschwand und der Gutsbesitzer ließ sich auf die Couch nieder, streckte die Beine von sich und zündete sich eine Zigarre an. Einige Minuten lang war nichts anderes zu vernehmen als das gelegentliche Knistern des Tabaks. Das Rauchen umfing P. mit einer Wolke stiller Behaglichkeit. Er blies Rauchringe in die Luft und sah jedem einzelnen mit sinnendem Blick hinterher.
Sein männlich schönes Gesicht wurde von einem Lächeln überzogen. Er lag ausgestreckt und völlig entspannt auf dem Sofa, die Augen auf den Plafond gerichtet, und hing seinen Gedanken nach.
„Schon eigenartig“, ging es ihm durch den Kopf, „diese Sache mit der Wollüstigkeit der Weiber. Wüsste ich's nicht besser, ich könnt's kaum glauben, dass mir der Johann jetzt gleich das Album bringen wird, voll mit Fotografien von mannstollen Frauen. ,Damen', die es so nötig haben, es mal wieder so richtig besorgt zu bekommen, dass sie sogar bereit sind, dafür auch noch zu zahlen. Ha! Der Gauner fährt nicht schlecht bei diesem Geschäft. Aber er macht es auch gut – es sind ja wirklich ausgesuchte Schönheiten darunter, aus den besten Kreisen, aus meinen Kreisen nämlich. Etliche kenne ich persönlich – wenn ich nur an meinen letzten Blick in das Album denke, da ist doch tatsächlich meine Cousine aufgetaucht, die Komtesse Gisela; siebzehn Jahre jung ist der Fratz und kann schon nicht genug bekommen von den Schwänzen.“
Er lachte auf und zog kräftig an seiner Zigarre. „Die sollte ich mal bestellen“, sagte er jetzt laut im Selbstgespräch. „Das wäre ein geiler Spaß; was die wohl sagen würde? Außerdem ist sie ja ein wirklich rassiges Pferdchen, blutjung und schön wie die Sünde.“
In diesem Moment kehrte Johann zurück und unterbrach die sexgeschwängerten Gedanken des Barons, die die geneigten Leserinnen und Leser in einiges Erstaunen versetzt haben mögen. Aber tatsächlich enthielt das Album, das Johann jetzt seinem vertrauten Gast überreichte, Fotografien dutzender Frauen der Gesellschaft, denen es nach Genüssen verlangte, zu denen sie auf direktem Wege keinen Zugang hatten. Ihrem Geschlecht stand es nicht an, einfach nach einem Liebhaber zu verlangen. Johann hatte sich einen einschlägigen Ruf als diskreter und vertrauenswürdiger Vermittler erarbeitet und verdiente sich ein nettes Zubrot auf diese Weise: Jede Dame, der er einen willigen und standhaften Bettgefährten
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