Der Tanz Der Klingen
zu bewerkstelligen wäre, was Ihr beabsichtigt. Kein Volk in Euranien würde eine Belagerung versuchen; und diese Mauern zu erstürmen, ist undenkbar. Die Sicherheitsvorkehrungen am Tor haben sich seit Jahrhunderten unfehlbar bewährt, also können wir auch nicht hoffen, uns einzuschleichen. Und selbst wenn uns das gelänge, wie um alles in der Welt sollten wir ihn wohlbehalten aus dem Kloster schaffen? Sogar als mein Leben davon abhing, fiel mir nicht einmal für mich, einen einzelnen Mann, ein Fluchtweg ein.«
Sturheit konnte man Ringwalds Mündel wahrlich nicht absprechen. »Du hast angedeutet, dass die Bruderschaft in die Männer des Abts und jene des Probstes geteilt sei.«
»Das ist richtig«, räumte Radu ein. »Geschichtlich gesehen, trifft das zu, und geschichtlich gesehen, haben die Herzoge immer den Abt gegen den Probst und umgekehrt ausgespielt. Wir bescheidenen Leibeigenen waren überzeugt davon, dass Minhea und Volpe einander verabscheuten, aber wir haben nur gemutmaßt. Beweise hatten wir keine. Und vergesst nicht, ich war ein halbes Jahr fort, also bin ich nicht auf dem letzten Stand der Dinge. Es könnte durchaus sein, dass ich zum Abt hätte laufen sollen, um zu berichten, was ich gesehen hatte, aber…« Er zuckte mit den Schultern. »Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man einen solchen Gefangenen vor ihm geheim zu halten vermocht hätte. Seine Gehilfen und jene Volpes müssen wohl an die Hälfte ihrer Zeit damit verbringen, einander im Auge zu behalten. Hätte man mir überhaupt eine Anhörung gewährt? Immerhin hatte der Probst selbst mich ausgesandt, um den Knaben zu fangen, also musste die Gruppe um den Abt mich als einen seiner Männer betrachten.«
»Ihr glaubt nicht, dass der Abt und der Probst sich diesmal gegen den Herzog zusammengetan haben könnten?«, fragte Glockmann.
»Sogar das ist möglich.« Radu hegte unverkennbar Argwohn gegen diesen Lakaien, der so nah neben Johanna auf der Bank saß, zu nah für einen Diener oder sogar einen gesellschaftlich Gleichgestellten.
Glockmann überlegte eine Weile, während die anderen erwartungsvoll schwiegen. Der Graf runzelte die Stirn, mischte sich aber nicht ein. Johannas Augen leuchteten, als sie das Profil ihres Geliebten musterte. Es war recht offensichtlich, was die beiden füreinander empfanden, doch Glockmann hätte unmöglich das Bett mit ihr zu teilen vermocht, ohne dass ihre Klingen es erfahren hätten. Da Ringwald nur allzu gut wusste, wie verrückt er selbst wurde, wenn er längere Zeit nicht mit Trudy zusammen war, bewunderte er die Selbstbeherrschung der beiden.
Dann kam Glockmanns nächste Frage. »Ihr habt gesagt, Herr Ritter, dass Ihr dachtet, das Tor zum Wachraum hätte verriegelt sein müssen. Gehe ich recht in der Annahme, dass die Tür zum Verlies versperrt war, zumal der Gefangene nicht versucht hat, herauszukommen?«
»Er war mit einer Kette um den Hals an die Wand gefesselt.«
»Ja, und das ist merkwürdig. Ähneln die Schlösser in Vamky jenen hier in Brikov? Gewöhnlichen alten Eisenschlössern? Sind sie nicht verzaubert?«
»Darauf habe ich nicht geachtet …« Radu schaute zur Tür der Halle hinüber. »Nichts Besonderes, von dem ich wüsste. In Vamky gibt es so gut wie keine Schlösser. Außer dem Recht auf Essen und Kleidung besitzt kaum jemand etwas. Wieso?«
»Sein Vater war Schlosser!«, verkündete Johanna siegessicher.
Ohne die Augen von Radu abzuwenden, nickte Glockmann. »Gilt Euer Pass noch, Herr Ritter?«
»Könnte sein.« Ungläubig starrte Radu ihn an. »Ausgestellt am dreiundzwanzigsten. Ah … ungerader Monat, ungerade Tage … haben wir den dritten?« Er zählte die Tage an den Fingern ab. »Er gilt bis heute um Mitternacht.«
»Bis dahin könnten wir es nach Vamky schaffen, oder? Was steht auf diesen Pässen geschrieben?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr Glockmann fort. »Der Tag der Ausstellung, die Unterschrift des befehlshabenden Offiziers, ein Missionsname? Sonst noch etwas? Ein Ablaufdatum?«
»Die Anzahl der Männer, für die er gilt. Kein Ablaufdatum, Auf meinem stand ›zehn Tage‹ geschrieben, aber das war eine Anweisung an mich, nicht an die Wachen. Sonst nichts. In Vamky ist man höchst bedacht auf Sicherheit.«
Für Ringwald hörte Vamky sich nach einem völligen Irrenhaus an. Er zöge Eisenburg jederzeit vor. Vorbehaltlich der fleischlichen Enthaltsamkeit.
»Der Grundgedanke ist, dass die Männer am Tor nicht wissen sollen, wer wohin geht und was er aus welchem Grund tun soll«,
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