Der Tanz Der Klingen
Wolfgang?«, fragte Trudy über die Schulter.
»Dreiunddreißig Monate, Fräulein.« Er konnte kaum sprechen.
Konnte sie bei all diesem Geistergetöse Falschheit erkennen? Sie musste ihn dazu bringen, erneut zu lügen, damit sie einen Anhaltspunkt hatte. »Wirst du mir jetzt die ganze Wahrheit sagen, egal was ich frage?«
»Ja, Fräulein.«
Das würde hinlänglich reichen. »Welchen Rang hattest du inne?«
»Jungritter.«
»Wann wurdest du dazu befördert?«
Eine Pause. »An dem Tag, als ich Vamky verließ, Fräulein.«
»Wurdest du als Spitzel hierher geschickt?«
»Ja.«
»Um was in Erfahrung zu bringen?«
»Um nach der Herzogin, dem Baron oder dem Markgrafen Ausschau zu halten.«
»Das ist alles?«
»Und nach allem, wovon ich dachte, es könnte wissenswert für … sie sein.«
»Wer hat dir diese Befehle erteilt?«
»Präzeptor Oswald« Klirr! stimmte er den ersten falschen Ton an.
»Denk noch einmal nach.«
Ein Mann mit Helm und Brustharnisch sagte: »Ich bin Präzeptor Oswald in Skyrria begegnet.« Trudy erkannte Radus Stimme.
Was dann geschah, sah sie nicht, jedenfalls begann der Junge zu schreien. Ihr Magen verkrampfte sich so heftig, dass sie glaubte, sich übergeben zu müssen. Warum hatte sie diese Grausamkeit je vorgeschlagen? Warum war sie nicht in Chivial geblieben? Aber dann hätte sie nie Ringwalds Liebe erfahren. Könnte er sie nach dieser Geschichte überhaupt noch lieben?
Das Gebrüll verebbte zu einem Schluchzen. Jemand befahl dem Gefangenen aufzustehen.
»Bitte zwing sie nicht, dir das noch einmal anzutun!«, flehte sie ihn an. »Wer war es?«
»Abt Minhea«, kam die Antwort im Flüsterton.
»Aha!«, meldete Glockmanns Stimme sich zu Wort.
»Und wie lautet dein Losungswort?«, wollte Trudy wissen.
»Spinnwebbeobachter.«
Sie schauderte. »Nein, das ist es nicht.«
»Dreht ihm beide um«, befahl der Graf.
Trudy presste die Hände auf die Ohren, aber der Spitzel ahnte, weshalb sie diese Auskunft wollten, und es bedurfte zahlreicher schrecklicher Schreie und allerlei Winseln um Gnade, um eine wahre Antwort aus ihm herauszuholen: Drehendes Rad.
»Ist das alles?«, fragte sie. Bitte lass es alles sein!
»Nicht ganz.« Radu trat vor. »Wer ist dein befehlshabender Offizier?«
»Kantor Samuil«, murmelte Wolfgang. Seine Zähne klapperten. Trudy spürte, wie Verzweiflung und Kälte an seinem Lebenswillen nagten. Wenn man ihn nicht bald zu einer Heilung brächte, würde er vor Grauen sterben.
»Seine Zelle?«
»Weiß 5, D 21.«
Radu schaute in Trudys Richtung, doch es entsprach der Wahrheit, so weit Wolfgang sie kannte, also schwieg sie.
»Und deine?«
»Grün 2, G 55.«
»Woher wusstest du, wie die Herzogin aussieht?«
»Ich habe sie gesehen, als sie ins Kloster kam. Hab Schreibpapier für sie geholt.«
»Wie viele weitere Spitzel gibt es hier in Brikov?«
Schweigen.
»Sei kein Narr!«, herrschte Radu ihn an. »Es gibt noch wesentlich schlimmere Dinge, die sie dir antun können. Antworte.«
»Keine, von denen ich weiß.«
Alle schauten zu Trudy, die nickte. Es kam der Wahrheit sehr nahe.
»Als du Ihre Hoheit gestern hier gesehen hast, wem hast du es gesagt?«
»Niemandem.«
»Legt noch ein wenig nach«, befahl der Graf.
»Nein!«, gellte Trudy. Gleichzeitig brüllte Wolfgang: »Das ist die Wahrheit!«
»Warum nicht?«, bohrte Radu weiter. »Wem solltest du es sagen, und warum hast du es nicht getan?«
»Fuhrmann Franhof. Ich gebe ihm Nachrichten zum Zustellen. Er ist noch nicht zurück. Er gehört nicht zur Bruderschaft, tut es nur für Geld.«
Das stumme Knurren des Grafen ließ nichts Gutes für den Fuhrmann erahnen.
»Und was hast du über mich geschrieben?«, fragte Radu.
»Ich kann dich nicht sehen.«
»Oberritter Radu.«
»Der Verräter Radu?«
Radu hob eine Hand, um den Mann mit der Eisenstange Einhalt zu gebieten. Wolfgang duckte sich in Erwartung weiterer Schmerzen. Der Regen wusch den Schlamm und das Blut von ihm ab. Was darunter zum Vorschein kam, war noch schlimmer als das, was Trudy sich ausgemalt hatte. Hastig wandte sie sich wieder ab.
»Beantworte einfach die Frage, Bruder«, forderte Radu ihn auf. »Und spar dir die Mühe zu lügen.«
»Ich habe geschrieben, dass du zu einer Beerdigung gekommen bist und der Graf dich in eine Zelle werfen ließ.« Die Stimme des Spitzels schwoll von einem heiseren Flüstern zu einem Krächzen an. »Also werden sie kommen, um dich zu retten, aber sie werden stattdessen mich retten! Ihr alle werdet für das hier bezahlen.«
Radu zuckte mit den Schultern
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