Der Tanz Der Klingen
Hohe, mit Jagdtrophäen behangene Wände ragten zu Galerien und einer Hammerbalkendecke empor. Raunzers Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet, denn der Seneschall hatte den Grafen erwartet und alles vorbereitet. Lakaien kamen mit Krügen voll Gewürzbier herbeigeeilt, um die Kälte zu vertreiben. Ringwald gelang es, eine überraschende Menge in sich hineinzugießen, bevor seine Bindung es in seinem Mund zu Lauge werden ließ; die Hitze breitete sich geradewegs durch seine Blutbahnen aus und überzog ihn mit einer Gänsehaut.
Max Priboi, der Seneschall, wurde Frau Schale vorgestellt. Er war ein älteres, kahleres und wesentlich stämmigeres Ebenbild von Radu. Zudem besaß er ein unbeschwertes Lächeln, das an den abtrünnigen Harald erinnerte. Er hieß die Gäste willkommen und führte sie persönlich nach oben, um ihnen ihre Zimmerflucht zu zeigen. Diese stellten sich als vollkommen heraus – ein großes, eindrucksvolles Gemach für die Frauen, das man über einen Vorraum erreichte, in dem die Klingen sich einquartieren konnten.
Eimertragende Diener füllten bereits eine Eichenholzwanne mit heißem Wasser. Johanna und Trudy warteten ungeduldig, während Ringwald die Unterkunft eilends überprüfte. Für eine Klinge bedeutete eilends jedoch keineswegs oberflächlich, und er suchte pflichtbewusst nach möglichen Ärgernissen. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass niemand unter dem Bett lauerte, stand er wieder auf. Er öffnete den Mund, um es kundzutun, dann warf er einen zweiten Blick auf die Liebe seines Lebens.
»Stimmt etwas nicht?«
Trudy runzelte die Stirn. »Es ist nichts … Naja, da ist schon etwas. Aber ich habe es noch nicht aufgespürt.«
»Was für ein Etwas?«
»Frag mich noch mal, wenn ich warm, trocken und satt bin.«
»Trudy!«
Mit zusammengekniffenen Lippen schüttelte sie den Kopf. »Nichts da Trudy! Geh jetzt.«
Unglücklich begab Ringwald sich hinaus ins Wachzimmer, um sich abzutrocknen und umzuziehen. So wie sie alle war Trudy müde. Schlimmer noch, er hatte ihr den ganzen Tag lang keine Zeit widmen können. Nicht das Trudy eifersüchtig gewesen wäre! Sie verstand, wie seine Bindung wirkte. Dennoch sollte eine Klinge sich nie verlieben, schon gar nicht eine Klinge, die an eine andere Frau gebunden war.
Sie speisten in einem kleinen, geschmackvoll eingerichteten Zimmer: Herzogin, Graf, Seneschall, zwei Klingen und Trudy. Diener eilten herein, brachten allerlei Köstlichkeiten wie gebratenes Fleisch, Fisch, Eintöpfe, Suppen, Käse, warmes Brot, Geflügel, Gemüse und würzige Soßen. Wie üblich völlerte Raunzer. Ringwald übertraf ihn mühelos, aber auch die anderen Männer blieben nur wenig zurück. Sogar die Frauen schlugen sich die Bäuche ordentlich voll und kosteten ein Gericht nach dem anderen, weshalb während der ersten halben Stunde kaum Zeit für Unterhaltungen blieb. In der Zwischenzeit spielte ein in der Ecke hockender Mann auf einer Viola und sang schwermütige krupinesische Lieder. Als er fertig war, lobte János ihn in höchsten Tönen und schickte ihn mit Goldmünzen in den Händen fort. Es war eine überraschende Seite des barbarischen Häuptlings, der erst an jenem Morgen einen Mann so gefühllos foltern und hängen gelassen hatte.
Mittlerweile wurden die Gerichte abgetragen und ein zweiter Gang hereingebracht, der eine ähnliche Vielfalt bot, diesmal mit Aal und Lachs statt Schmerle sowie Schweinefleisch statt Rind. Da der ärgste Hunger nunmehr gestillt war, konnte Ringwald essen und sich gleichzeitig wieder seiner Pflicht widmen, die darin bestand, sich über alles Mögliche zu sorgen – was war es, das Trudy entdeckt hatte und ihr Kummer bereitete? War es dasselbe, was sie nach wie vor so unruhig wirken ließ? Er hatte sie noch nie so zappelig erlebt. Bedeuteten die merkwürdigen Blicke des Seneschalls auf die Herzogin, dass er ahnte, wer Frau Schale in Wirklichkeit war? Und was würde morgen geschehen, wenn János zur Trauung ritt und Glockmann samt dem Geld weit und breit nicht zu sehen wäre?
Chivianische Inquisitoren verfügten über einen Zauber namens »die Frage«, der das Opfer zwang, alles zu gestehen. Selbst wenn die Brüder keine ähnlichen Mittel besaßen, um Gefangene zu verhören, konnten sie immer noch auf Daumenschrauben ausweichen, und anschließend würden sie geradewegs nach Donehof preschen, um die verlorene Herzogin zu holen. Das galt natürlich nur unter der Voraussetzung, dass es ihnen gelingen würde, Glockmann lebendig zu fassen.
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