Der Tanz Der Klingen
»Nicht, dass ich mich erinnern könnte.«
»Dann beschreibt den Bart. Das muss ich wissen.«
»Weißt du, Naseweis, du stellst dich nicht besonders gut an«, erklärte Raunzer.
»Wie meinst du das?«, gab Ringwald zurück, obwohl er soeben dasselbe gedacht hatte.
»Als Anführer. Zunächst einmal hat man uns beigebracht, dass Klingen ihr Umfeld kennen sollten. Hast du auch nur die leiseste Ahnung, wo wir gerade sind?«
Sie saßen auf Pferden und folgten unmittelbar ihrem Mündel und dem Banditen János, während in der Vorhut etwa ein Dutzend bewaffneter Männer ritt, in der Nachhut nochmals ungefähr ebenso viele. Abgesehen davon … Nein, abgesehen davon, wusste Ringwald lediglich, dass sie »irgendwo in Krupina« waren. Den ganzen Tag über hatte es ohne Unterlass geregnet, nun setzte auch noch die Dämmerung ein. Angeblich lag Donehof auf halbem Wege zwischen Fadrenschloss und Krupa, und sie hatten die verkohlten Überreste von Fadrenschloss vor einigen Stunden passiert. Sie befanden sich immer noch auf der Straße, die sich heute als langer, schmaler Schlammstreifen präsentierte, doch sofern Ringwald die geografischen Gegebenheiten richtig verstanden hatte, was zu bezweifeln war, sollten sie demnächst nach Westen abbiegen.
»Wir sind etwa eine Stunde von Donehof entfernt.«
»Du rätst bloß. Und warum sind wir überhaupt hier? Du sollst unser Mündel von Gefahr fern halten, Sir Neunmalklug. Auch dabei zeichnest du dich nicht gerade aus.«
Weil Ringwald sich deshalb bereits den ganzen Tag mit Vorwürfen quälte, hatte er ein paar Antworten zur Hand. Wenngleich keine besonders guten. »Und was hättest du anders gemacht, wenn du Anführer wärst – außer Ihro Gnaden irgendwo in Chivial einzukerkern?«
»Ich hätte verhindert, dass sie Brikov verlässt. Du weißt verflucht genau, dass sie versuchen wird, die Hochzeit morgen zu vereiteln.«
»Wird sie nicht. Dafür sorgen wir schon. Und wir konnten nicht in Brikov bleiben. Sie hatte Recht. Da es nur einen Fluchtweg gab, hätte jedes Spatzengehirn erkannt, dass es eine Falle war.«
»Ich hätte sie erst gar nicht dorthin gelassen«, raunzte Raunzer. Er war nass, müde, durchgefroren und verängstigt, und nur Ringwald stand ihm als Zielscheibe zur Verfügung. »Über diesen Schmugglerpass hetzen, Pferde verlieren, den örtlichen Räuberbaron auf uns wütend machen. So etwas nennt man Brücken niederbrennen.«
Auch Ringwald war nass, müde, durchgefroren und verängstigt. Und hungrig. »Der Grund, warum wir über diesen Pass mussten, ist, Bruder, dass du ja unbedingt die Neuigkeiten über die Hochzeit ausplaudern musstest. Hättest du stattdessen mir unter vier Augen Bericht erstattet, was deine eigentliche Pflicht gewesen wäre, hätte ich es ihr nicht gesagt. Wir hätten den langsamen, sicheren Weg über Zolensa einschlagen und Brikov oder Trenko meiden können. Bis wir hier eingetroffen wären, wäre es längst zu spät gewesen! Sie hätte aufgegeben, und wir hätten sie zurück nach Chivial geleiten können, um dort zu leben.«
Kein schlechter Vortrag, dachte er, und einiges davon stimmte sogar.
»Pah! Alles nur Mutmaßungen! Sie hätte gewiss darauf bestanden, nach Brikov zu reisen, um ihren Balg abzuholen. Die Bruderschaft hätte erfahren, dass sie dort ist, wäre gekommen und hätte sie geschnappt. Und wenn nicht, wäre sie kreischend auf der Suche nach dem Jungen herumgerannt, weil er nicht mehr war, wo sie ihn zurückgelassen hatte.«
»Wer stellt jetzt Mutmaßungen an, hm?« Das Schlimme war nur, dass Raunzers Einwände allesamt gerechtfertigt waren. Ringwald hatte es vermasselt, genau wie er es immer befürchtet hatte. Er hatte zugelassen, dass sein Mündel sich weiter und weiter in Gefahr begab, und nun sah er keinen Ausweg mehr. Sein jüngster und verheerendster Fehler, der Raunzer noch gar nicht aufgefallen war, war ihm erst an jenem Morgen unterlaufen, denn in der Hast, Brikov zu verlassen, hatte er vergessen, Glockmann um das Geld zu ersuchen. Er hatte rein gar nichts in der Tasche. Die Herzogin hatte grundsätzlich nie etwas bei sich. Bis Glockmann zurückkehrte, waren sie voll und ganz von Graf János abhängig. Und die Aussichten, dass Glockmann je zurückkehren würde, schienen ebenso schlecht wie jene, dass Graf János sich als großzügiger Wohltäter erweisen würde.
Die Vorhut bog von der sogenannten Straße ab. »Da ist der Pfad nach Donehof«, meinte Ringwald.
»Jetzt regnet es uns auch noch in die Augen, und der Wind legt zu. Wir
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