Der Tanz Der Klingen
wollen, weil er seine Gemahlin und seinen Sohn aufrichtig für tot hielt. Gewiss, die kurze Zeit der Trauer mutete etwas gefühllos an, aber immerhin war er fünfzig und musste ungeduldig auf einen Erben warten.
»Das ist Fadrenschloss«, erklärte Volpe und deutete in die Richtung.
Glockmann sah zwar nur Hügel und Bäume, nickte jedoch.
»Als Kind«, fuhr der Probst fort und wechselte damit ohne Ankündigung das Thema, »gebarte er sich immer als tadelloser kleiner Edelmann, solange Erwachsene in der Nähe waren. Aber die Küchenmägde hatten eine heillose Angst vor ihm.« War er im Begriff, seine Seite der Geschichte preiszugeben? Das wäre eine unverhoffte Höflichkeit, aber zweifellos hätte er auch eigene Gründe dafür.
»Sobald es halbwegs schicklich war, verheiratete die Familie ihn und hoffte, damit wäre alles erledigt. Als seine erste Gemahlin starb, konnten wir nicht sicher sein.« Das anbrechende Tageslicht offenbarte ein reumütiges Lächeln, dass allein für die Straße vor ihnen bestimmt schien. »Eine Lektion, die ich in meiner militärischen Laufbahn gelernt habe, Jakob Glockmann, ist, dass
Schwarzseher länger leben! Gute Neuigkeiten sind wesentlich einfacher zu glauben als schlechte. Gibt man einem Feind Grund zu der Annahme, man befände sich weit entfernt, wird er es in neun von zehn Fällen glauben, bis man ihm die Tür eintritt. Das gilt auch im gewöhnlichen Leben. Wir alle finden Gründe, verlockende Märchen zu glauben und unwillkommene Kunde zu verwerfen. Die Familie wollte einfach nicht glauben, dass der Tod des Mädchens etwas anderes als eine unglückliche Fügung gewesen war.
Die zweite warf er aus einem Fenster. Diesmal bestanden keine Zweifel. Eines der Weingläser roch so stark nach Schlafmohn, dass er sie quer durch die Kammer getragen haben musste. Er war Großherzog und ich sein vereidigter Vasall, dennoch musste offenkundig etwas getan werden. Ich erklärte ihm, dass es keine weiteren Ehen geben würde. Er war einverstanden. Auch ihm missfiel, was geschehen war, doch er hatte nicht anders gekonnt. Er versprach, sich an den Pöbel zu halten und seine Gespielinnen zu bezahlen, sobald er ihrer überdrüssig wurde. Die Rechnung ging über dreißig Jahre lang auf. Selbst wenn ich in der Fremde auf Feldzug war, hielt er sich an unsere Vereinbarung. Abgesehen von jener einen Schwäche war er ein guter Herzog – genügsam, umsichtig und zu faul, um sich Ärger einzuhandeln, wie es so viele Herrscher tun. Den Mädchen gereichte es nicht zum Nachteil. Gewiss, ein paar Wochen lang mussten sie erniedrigenden körperlichen Missbrauch erdulden, doch danach standen sie mit genug Geld da, um sich einen achtbaren Ehemann zu kaufen. Nach ein paar Tagen Erholung waren die meisten so gut wie neu und wieder glücklich.
Dann funkte dieser Trottel von Fader dazwischen! Er kannte die Regeln, wollte jedoch nicht mitspielen. Wäre sie eine Blutsverwandte gewesen, hätte ich ihn vielleicht noch verstanden. Als ich davon erfuhr, wurde die Vermählung bereits verkündet. Ich habe versucht, das Mädchen einzuschüchtern, um es davon abzubringen, doch es war vergebens.«
Der Probst richtete seinen furchteinflößenden Blick auf Glockmann, der annahm, dass eine Äußerung von ihm erwartet wurde.
»Ihre Hoheit lässt sich nicht leicht einschüchtern,
Herr.«
»Offensichtlich. Ich habe sie unterschätzt.« Abermals
kam und ging jenes grimmige Lächeln. »Frauen sind
nicht unbedingt meine starke Seite. Ich habe Rubin davor
gewarnt, dass ich keine weitere Gewalt dulden würde,
doch wenn ihn der Taumel der Lust erfasst hat, kann man
nicht vernünftig mit ihm reden. Ich habe dafür gesorgt,
dass seine Gemahlin am Hof geschnitten wurde und hoffte, er würde sie still und heimlich abschieben, sobald er
zur Besinnung käme.
Leider gebarte sie sich tadellos. Sie tat, wie ihr geheißen, verursachte keinen Ärger, beschwerte sich nie, nicht
einmal, als er wieder zum Schürzenjäger wurde. Gerade rechtzeitig zur gesetzlichen Frist gebar sie einen Sohn, somit kam es nicht mehr in Frage, sie zu verstoßen. Das gemeine Volk vergötterte sie, weil sie eine der ihren war, außerdem fürchtete man, ich könnte das Erbe antreten. Und Karl wollte gewiss niemand. Offen gesagt, konnte auch ich mir Karl nicht als Herzog vorstellen. Rubin ließ sie nie aus dem Palast. Ihr gegenüber meinte er, dass er um ihre Sicherheit besorgt sei, in Wahrheit aber wollte er nicht hören, wie man ihr zujubelte, denn er wurde nie umjubelt. Er
Weitere Kostenlose Bücher