Der Tanz des Maori (epub)
keine Ahnung, wann sie von Christchurch weg ist. Aber sie ist sicher irgendwann im Herbst 1936 in Hamburg angekommen. Also eher in der zweiten Hälfte des Jahres, denke ich. Abgereist ist sie als Witwe Ava Denson. Ob sie ihren Mädchennamen bei der Einreise wieder angenommen hat? Keine Ahnung, aber ich halte das für sehr gut möglich. Nach Neuseeland gekommen ist sie 1928. Das wäre es auch schon â ich weià nicht einmal, was sie als ihren Beruf angegeben hatte.«
Katharina sah auf den Zettel, auf dem nur ein Name und eine Jahreszahl standen. »Das ist wirklich nicht viel. WeiÃt du wenigstens ihr Geburtsdatum?«
»Nein. Aber das Geburtsjahr: Sie ist Jahrgang 1909, sie kam mit neunzehn nach Neuseeland.«
»Okay«, murmelte Katharina, während sie die Jahreszahl noch neben den Namen kritzelte. »Aber ich kann dir nichts versprechen!«
»Danke.« Sina war hörbar erleichtert. »Ich wäre wirklich froh, wenn ich herausfinden könnte, was da passiert ist. Ruiha hat von Ava nichts mehr gehört, seit dem Tag, an dem sie in Westport an Bord gegangen ist.«
»Schon gut«, wehrte Katharina ab. »Aber jetzt zu dir: Wie geht es dir? Ist dein Traummann immer noch dein Held? Und was macht er auf Vanuatu, wenn er doch eigentlich an deine Seite gehört?«
»Er wartet auf die Reparatur von seinem Tanker, und ich bin die Seemannsbraut, die auf die Heimkehr ihres Mannes wartet. Wenigstens weià ich jetzt schon, wie sich das anfühlt ⦠Wie geht es bei dir?«
Katharina erzählte begeistert von ihrer Arbeit und weniger begeistert von ihrem Freund, der sich in den letzten Wochen allmählich in die lange Reihe von Katharinas Ex-Freunden eingereiht hatte. Nach ein paar weiteren Minuten mussten sie das Gespräch beenden â Mary-Anns Telefonrechnung wäre sonst explodiert.
Nachdem sie aufgelegt hatte, sah Katharina nachdenklich vor sich hin und nahm noch einen Schluck von ihrem Wein. Sie beschloss, sich gleich morgen früh auf die Suche nach dieser Ava zu machen. Es wurde allmählich Zeit, dass Sina nicht mehr von dieser Frau besessen war, die wahrscheinlich schon ziemlich lange tot war â¦
Es vergingen drei Tage, bis Katharina wieder an ihr spät in der Nacht abgegebenes Versprechen dachte. Nicht, dass sie es vergessen hätte. Aber die Tage in der Redaktion bescherten Katharina wahre Berge von Arbeit und Aufgaben. Ständig sollte sie etwas recherchieren, einen Prominenten für ein Interview ans Telefon locken oder auch einfach nur für einen der älteren Redakteure Hunderte von Bildern sichten, um das Richtige zu finden. Katharina beschwerte sich keine Sekunde über diese Aufgaben. Sie liebte ihren neuen Beruf und konnte sich beim besten Willen nicht mehr vorstellen, jemals etwas anderes zu tun.
Trotzdem: Drei Tage später kehrte etwas Ruhe in die Redaktion ein. Es war früher Nachmittag, viele der angestellten Redakteure waren noch in der Mittagspause, als Katharina sich daran machte, nach dieser Ava Denson zu forschen. Sie rief beim Hafen in Hamburg an und fragte, ob ein Archiv mit alten Passagierlisten existierte. Schnell stellte sich heraus, dass es zwar die »Hamburger Passagierlisten« gab, die im Staatsarchiv lagen und die genau alle Auswanderer bis 1934 dokumentierten. Aber Menschen, die nach Deutschland zurückkehrten, wurden darin nicht erfasst. Und Mitte der DreiÃigerjahre endete die sorgfältige Dokumentation dieser Schiffe ohnehin. Da war wohl auch so einiges im Krieg vernichtet worden. Stattdessen suchte Katharina nach den Unterlagen der Meldebehörden. Fehlanzeige. Eine Ava Denson hatte Ende der DreiÃigerjahre nicht in Hamburg gelebt. Der Nachmittag verging wie im Fluge, ohne dass Katharina auch nur im Geringsten fündig wurde. Frustriert beendete sie am frühen Abend ihre Suche. Sie hatte keine Ahnung, ob sie etwas übersehen hatte â oder ob sie wirklich schon alles durchsucht hatte. Was, wenn diese Ava in Hamburg einen anderen Namen angenommen hatte? Oder â was doch sehr wahrscheinlich wahr â wieder ihren Mädchennamen trug? Dann war sie nie mehr zu finden.
Entnervt sah Katharina auf ihren Terminkalender. Von der Wieder-Einwanderin Ava Denson war keine Spur zu finden. Aber vielleicht fand sich ja etwas über Eva Gehrling. Am Samstag hatte Katharina nichts vor â und sie beschloss spontan, Sinas Eltern einen Besuch abzustatten.
Sinas Mutter war mehr als
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