Der Tanz des Maori (epub)
dann Angusâ schwere Schritte. Ava erhob sich und warf noch einen letzten langen Blick auf ihren Sohn, der ohne Argwohn mit Miriam spielte. Sie seufzte.
»Ich gehe zu ihm und sage ihm, dass ich aufgebe. Er soll den Passageschein nach Hamburg kaufen und die Adoption von Junior in die Wege leiten.« Mit einem schnellen Schritt ging sie zu Miriam, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie. »Miriam, du hast keine Ahnung, wie wichtig du für mich in diesen Minuten bist. Ohne deine Versprechen würde ich mir in diesem Augenblick wie die herzloseste Mutter der Welt vorkommen â¦Â«
Damit lief sie die Treppen nach unten. Wir konnten nichts hören, aber es dauerte nur wenige Minuten, bis Ava wieder bei uns auftauchte. In ihrem Gesicht waren hektische rote Flecken, aber immerhin hatte sie es geschafft, dass Angus nicht ihre Tränen gesehen hatte. Sie lieà sich erschöpft in einen Sessel fallen.
»Jetzt ist also alles ausgemacht. Morgen schon gehen wir zum Richter, der die Adoption von Junior beurkunden wird. Davor überreicht mir Angus noch den Passageschein â und dann sollte alles Geschäftliche erledigt sein. Ich habe noch fünf Tage mit Junior, bevor mein Schiff in See sticht.« Langsam schüttelte sie den Kopf. »Nie hätte ich geahnt, dass mein Abenteuer Neuseeland auf diese Art enden könnte. Ich war immer der Meinung, dass ich das Glück gepachtet hätte, nachdem ich John kennengelernt habe ⦠Jetzt bin ich so arm wie nie zuvor in meinem Leben.«
Sie sah Junior an, der jetzt wieder versonnen mit der Troddel spielte. »Wie er wohl als Sechsjähriger aussieht? Als Vierzehnjähriger? Als junger Mann? Werde ich das wohl jemals erfahren?«
Miriam nickte. »Ich werde mich bemühen, regelmäÃig ein Bild von ihm anfertigen zu lassen. Ich kann es dir schicken, wenn du mich deine Adresse in Deutschland wissen lässt. Das ist doch das Geringste, was ich tun kann â¦Â«
Vorsichtig fragte ich nach meinem eigenen Schicksal. »Haben Sie auch über mich gesprochen?« Fast kam ich mir vor wie eine Leibeigene, die nur nach ihrem neuen Herrn fragen durfte, aber keinen Einfluss auf ihre Zukunft hatte.
Ava nahm mich in den Arm. »Sicher habe ich das. Angus zahlt dir sogar mehr als das, was John und ich dir geben konnten. Du ziehst hier gleichzeitig mit Junior ein, dann hat er wenigstens ein vertrautes Gesicht, das ihm die Eingewöhnung hier erleichtert.«
Was sollte ich schon tun? Ich nickte â und damit war mehr in meinem Leben besiegelt, als mir in diesem Augenblick klar sein konnte.
Miriam, Ava und ich spielten noch eine Weile mit Junior, dann brachen wir gemeinsam nach Hause auf. Die nächsten Tage versuchte Ava, so viel Zeit mit Junior zu verbringen, wie es irgend möglich war. Sie ging auch noch mit ihm zum Fotografen in Westport, damit sie eine bleibende Erinnerung hatte. Ich sah, wie sie ein paar Blüten des Pohutukawa-Baumes in einem dicken Buch presste. Als sie meine Blicke sah, lächelte sie schuldbewusst. »Ich komme mir vor wie ein Dieb, der noch versucht, möglichst viel aus seinem alten Leben in ein neues Leben mitzunehmen.«
»Haben Sie denn schon Pläne für Deutschland?«, fragte ich vorsichtig nach. Bis zu diesem Zeitpunkt war es mir immer unpassend vorgekommen, nach einer Zukunft zu fragen, in der Junior ganz sicher keine Rolle mehr spielte. Aber jetzt siegte einfach meine Neugier.
Ava seufzte. »Nein. Meine Familie weià ja nicht einmal, dass ich wieder nach Hause komme. Ich könnte ihnen ein Telegramm schicken, aber ich habe das Gefühl, ich werde noch früh genug zugeben müssen, dass ich am anderen Ende der Welt gescheitert bin.«
»Sie sind doch nicht gescheitert!«, widersprach ich empört. »Sie hatten ein wunderbares Leben â und hatten unsagbares Pech.«
»Es war nicht nur Pech«, gab Ava zu. »Ich habe John gewähren lassen, als er seine hochfliegenden Pläne mit Angus schmiedete. Heute weià ich, dass ich ihm hätte Einhalt gebieten müssen. Ich wusste, dass Angus kein guter Mensch ist â aber ich habe versäumt, das John auch deutlich zu machen. Das war mein Fehler, für den ich den Rest meines Lebens zahlen werde â¦Â«
In diesem Augenblick wurde mir hinsichtlich meines Einzugs in das Haus MacLagan angst und bange. Aber es war zu spät für eine andere Entscheidung, die Würfel waren gefallen.
Viel zu
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